Weihnachtslüge

05.04.2023

"Floyd stand frierend am Rand des Schlachtfeldes auf einer kleinen Anhöhe. Freilich, außer ihm wusste bisher noch niemand, dass morgen hier ein Schlachtfeld sein würde.

Seit Tagen verfolgte er die Nachrichten um den Überblick über die Lage nicht zu verlieren. Was er aus den, im Weihnachtsprogramm, spärlichen Informationen herausfiltern konnte, sagte ihm dass die Rebellen genau in diese Richtung getrieben wurden. Ihm war klar, dass der Anführer der Loyalisten schon blind sein musste, wenn er die Rebellen nicht hier stellen wollte.

Der Wald hörte hier wie mit einem Lineal gezogen auf. Nicht mit leichtem Unterholz, sondern plötzlich und gleichmäßig. Zwischen Wald und Fluss lagen ca. 500m freies, schneebedecktes, zum Fluss hin leicht abschüssiges Gelände. Der Fluss war an dieser Stelle passierbar. Meistens.

Sollten die Rebellen aus dem Wald herausbrechen und den Fluss noch nicht überquert haben, wenn die Loyalisten ihnen folgten, würden sie in der Falle sitzen. Gefangen zwischen den Möglichkeiten den Fluss zu überqueren und dabei wie Tontauben abgeschossen zu werden, oder umzudrehen und sich zu stellen. Einem Feind, der aus dem Schutz des Waldes angreifen konnte und somit schwer zu treffen sein würde.
Die Loyalisten würden kurzen Prozess mit den Rebellen machen und wären Weihnachten wieder zu Hause.

Dies war genau der Grund, aus dem Floyd hier war. Er würde das Gemetzel, das zweifellos passieren würde, verhindern und ganz nebenbei auch noch eine Kleinigkeit für sich selber tun.

Seit er die Möglichkeit einer Schlacht an dieser Stelle vorhergesehen hatte, bereitete er fieberhaft seine Maßnahmen vor. Jetzt war er fertig.

Bald würde er wieder von diesem Planeten verschwinden können. Er hasste jedes Detail an seiner neuen Heimat. Den vielen Wald, die winzigen Städte und Dörfer und vor allem den täglichen Kampf um dem Boden Nahrung abzuringen. Er hasste es arm zu sein und ärmlich zu leben.

Als er vor nunmehr 6 Jahren auf diesem Planeten gelandet war, war er Kommandant einer kleinen Söldnereinheit gewesen. Seine Kompanie war angeheuert worden, um die Rebellen zu vernichten, die inzwischen die Loyalisten sind.
Seine Truppe war Opfer eines Verrates geworden, der fast alle seine Leute das Leben gekostet hatte und die politische Lage gekippt hatte. Klar, dass die neuen Herrscher kein Interesse an einer weiteren Verpflichtung der kläglichen Reste seiner Truppe hatten. So war er in diese entlege Gegend abgetaucht. Ohne Geld, ohne seinen Mech, nur mit den Mitgliedern seiner ehemaligen Kommandolanze.
Aber jetzt...

Schon zu Beginn des neuen Aufstandes hatte er eine Nachricht an einen Freund geschickt. Dieser schuldete ihm noch einen Gefallen und hatte sich, gegen einen kleinen Anteil an der Beute, bereit erklärt ihn und seine Leute hier abzuholen. Floyd wusste nicht ob er William noch vertrauen konnte, aber er würde es darauf ankommen lassen. William war der einzige Landungsschiffkapitän den er kannte. Jetzt sollte er sich eigentlich schon in der Umlaufbahn befinden und auf seine Nachricht warten.
Es würde alles sehr schnell gehen müssen.

Sein Plan sah vor, die Rebellen durch falsche Warnmeldungen am Überqueren des Flusses zu hindern. Dann wollte er mit den anderen 3 Mitgliedern seiner alten Truppe die Loyalisten von hinten angreifen und Sie so ins freie treiben. Sie hatten zwar nur wenige Waffen, aber ein paar Kurzstreckenraketen und viel Bewegung im Wald, würden schon reichen. Verdammt, es musste reichen.

Wenn beide Truppen sich dann am Fluss gegenüberständen, würde er die Sprengladungen zünden, die den Damm weiter flussaufwärts zerstören sollten. Die Flutwelle würde Mechs und Panzer wegreißen und gegen den Hügel schwemmen, auf dem er gerade stand. Dann würden er und seine Kameraden die Überlebenden aus ihren Fahrzeugen "befreien", Sie im Wald anbinden und mit dem gesamten Equipment verschwinden. Das würde das größte Geschenk sein, das er seinen Leuten machen konnte. Schließlich war in vier Tagen Weihnachten."

An dieser Stelle stockte der Erzähler. Hunderte Augenpaare waren auf ihn gerichtet. "Und was ist passiert? Waren sie erfolgreich?"

"Ja und nein." Sagte der Erzähler. "Er hat das Blutvergießen beendet. Der Dammbruch hat beide Parteien am Fluss erwischt, Mechs und Panzer weggespült und die meisten Besatzungen und Piloten ertränkt. Damit hat er Ihnen die Möglichkeit zu weiteren militärischen Aktionen genommen.
Allerdings hatte sich Floyd geirrt, als er die Flutwelle vorhersagte. Der gesamte Hügel an dem sich das Wasser brechen sollte wurde weggerissen zusammen mit Floyd und seine Kameraden."

"Fremdweltler!", murmelten mehrere Stimmen aus der Schar der Zuhörer die sich jetzt langsam zerstreute. Der Erzähler schloss die Augen und lächelte. Er hatte auch Grund zu lächeln, denn er wusste, das der größte Teil des Equipments noch intakt war und versteckt im Wald wartete. Sobald sich die Aufregung gelegt hatte würden Sie einen Transporter organisieren und von hier verschwinden.

Floyd würde mit ihm zufrieden sein.


Älterer Artikel von mechforce.de. Nicht mehr online.




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Erstversion vom 05.04.2023. Letzte Aktualisierung am 05.04.2023.


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