Auf dem Planeten
Tukayyid brach der 5. Mai 3052 an. Trotz der strategischen Bedeutungs-losigkeit
des Planeten spielten sich auf seiner Oberfläche bereits seit vier
Tagen die heftigsten Gefechte ab, die die Innere Sphäre je gesehen
hatte. Die Streitkräfte der an der Invasion beteiligten Clans und
die des geheimnisumwitterten ComStar-Ordens waren zu einer Entscheidungsschlacht
aufeinander getroffen, deren Ausgang das Schicksal der Menschheit besiegeln
sollte. Gewannen die Clans, würde ComStar ihnen die Erde bedingungslos
ausliefern. Bei einem Sieg ComStars hingegen hatten die Clans versprochen,
einen fünfzehnjährigen Waffenstillstand zu akzeptieren.
Gemeinsam hatten beide Seiten den Austragungsort der Kämpfe sorgfältig
ausgewählt. Die wenigen Einwohner Tukayyids waren evakuiert worden,
um mögliche Todesopfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden.
Nun kämpften auf der von weitläufigen Weizenfeldern und riesigen
Waldgebieten geprägten Planetenoberfläche fünfzig Regimenter
der ComGuards, dem Militärapparat des ComStar-Ordens, gegen fünfundzwanzig
Galaxien der Clans.
Leider verlief
der Feldzug für den Clan Geisterbär nicht nach den Erwartungen
seiner beiden Khane. Dank einer effektiven Gegenstrategie des Ordens waren
die Galaxien Beta und Delta bisher an der Einnahme der Stadt Luk gescheitert.
Auch der Vormarsch der Alpha-Galaxis gegen die Stadt Spanac war unerwartet
ins Stocken geraten. Um wenigstens eines der beiden Missionsziele zu erreichen,
hatten die Khane der Geisterbären den Angriff auf Luk vorerst abgebrochen
und die Beta- und Delta-Galaxis ebenfalls nach Spanac beordert. Unter
dem Ansturm aller drei Galaxien war die Stadt schließlich gefallen.
Deshalb befand sich die 4. Bärengarde nun nicht wie ursprünglich
geplant mit den anderen Sternhaufen der Beta-Galaxis in Luk, sondern wenige
Kilometer nördlich von Spanac. Nach einem langen Gewaltmarsch, welcher
immer wieder durch schwere Gefechte unterbrochen worden war, hatte die
Garde mitten in der Nacht diese kleine Lichtung erreicht und ihr Lager
errichtet.
Der kommandierende Sterncolonel der 4. Bärengarde befand sich gerade
auf dem Weg zum mobilen Hauptquartier seiner Einheit, als die ersten Sonnenstrahlen
des neuen Tages über die Wipfel der hohen Nadelbäume traten.
Sie badeten den Talkessel in ihrem warmen rot-goldenen Licht. Über
dem Wald sah man die feinen weißen Fäden des aufsteigenden
Morgennebels. Der paradiesische Eindruck wurde jedoch durch die vielen
kleinen Erdbeben gestört, deren Auslöser die Schritte der patroullierenden
OmniMechs waren. Bei jeder Erschütterung lösten sich einige
Tautropfen vom Fahrzeugrumpf des HQs und flossen auf chaotischen Bahnen
dem Erdboden entgegen. Die Luft war angenehm kühl und feucht. Gierig
saugten die Lungen des Colonels frischen Sauerstoff ein. Sie schienen
zu wissen, was sie im Inneren des Kommandofahrzeugs erwartete. Auf der
Türschwelle drehte sich der Sterncolonel noch einmal um und ließ
seinen Blick über die Lichtung und das provisorische Lager streifen.
Es bestand lediglich aus ein paar Zelten, einem Feldlazarett, dem HQ-Fahrzeug
und viel zu wenigen Reparatur- und Ausrüstungstransportern. Das vorhandene
Material reichte gerade aus, um neue Panzerplatten notdürftig über
die größten Löcher in den Maschinen des Sternhaufens zu
schweißen. An Munition mangelte es erheblich.
Er wandte seinen Blick von dem trostlosen Bild des Lagers ab und betrat
das mobile Haupt-quartier. Um den elektronischen Kartentisch in der Mitte
des winzigen Innenraumes drängten sich bereits die anderen Offiziere
des Sternhaufens zusammen. Hier drinnen war die Luft stickig und roch
nach Schweiß und Kaffee. Mit einiger Mühe konzentrierte er
sich auf den angenehmeren Duft. Auf allen Gesichtern, auch auf dem des
Sterncolonels, zeigten sich nach vier Tagen ununterbrochener Gefechte
die ersten deutlichen Spuren von Ermüdung. Die meisten Krieger hatten
auch in dieser Nacht keinen Schlaf erhalten. Ihre Gesichter wirkten eingefallen
und unter ihren Augen zeichneten sich bereits starke Ringe ab. Der Wille
zum Sieg und der starke Kaffee hielten sie jedoch wach.
Direkt am Kartentisch standen Sterncaptain Peter und Sterncaptain Yvonne
Bekker, seine Stellvertreterin. Offenbar analysierten sie bereits das
Gelände. Sterncommander Ladek vertrat Sterncaptain Veronica, die
am zweiten Tag der Kämpfe gestorben war. Nachdem er seinen Platz
am Kartentisch eingenommen hatte, begann der Sterncolonel mit der Besprechung.
Der große, hagere Mechkrieger blickte zunächst jedem der Anwesenden
in die Augen und begrüßte sie alle mit einem Nicken. Sein dunkelblondes
kurzes Haar war zerzaust und sein Gesicht wurde mittlerweile von einem
Dreitagebart eingerahmt.
"Ich will euch nichts vormachen. Unsere Situation ist miserabel",
erklärte er den Anwesenden. "Wir haben bis jetzt zehn Prozent
unserer Mechs und zwanzig Prozent unserer Raumjäger verloren. Alle
unsere Maschinen sind beschädigt und Munition ist praktisch nicht
mehr vorhanden. ComStar hat erkannt, dass wir auf lange Feldzüge
nicht vorbereitet sind. Sie haben versucht uns so lange hinzuhalten, bis
uns die Munition ausgeht. Und ihre Taktik hat hervorragend funktioniert."
Die Stimme des Sterncolonels zeugte vom Respekt gegenüber dem Gegner.
"Wir können vom Oberkommando keinen weiteren Nachschub erwarten,
denn sie haben keinen mehr. Nichtsdestotrotz müssen wir die Stellung
hier halten und siegen! Sowohl für unseren Clan als auch für
die Invasion!", stellte der Kommandant betont energisch fest. Jedem
der Anwesenden war klar, dass dies keine einfachen Durchhalteparolen waren.
Ein Scheitern würde katastrophale Konsequenzen für die Einheit
und den Clan nach sich ziehen. "Unsere Befehle für den heutigen
Tag lauten wie folgt", fuhr er mit der Besprechung fort. "Da
die Alpha-Galaxis demnächst einen Ausbruch aus Spanac und einen Angriff
auf Luk unternehmen will, sollen die Beta- und Delta-Galaxis gemeinsam
Spanac gegen die ComGuards halten. Das größte Probleme dabei
stellt der ständige Artilleriebeschuss der Stadt durch den Feind
dar, seit heute früh auch aus unserem Gefechtssektor. Unser Sternhaufen
soll die mobilen Artilleriegeschütze und ihre Verteidigung in diesem
Gebiet aufspüren und ausschalten. Es ist mit maximalem Widerstand
zu rechnen. Soweit die offiziellen Befehle. Ich möchte allerdings
noch eine weitere Sache erledigen."
Er drückte einen Knopf auf dem Kartentisch und eine neue Geländeübersicht
wurde eingeblendet. Der Sterncolonel deutete auf einen gelb markierten
Abschnitt.
"Aufgrund der beobachteten Feindbewegungen vermuten wir, dass sich
in diesem Bereich ein Nachschubdepot ComStars befindet. Da der Clan uns
keine Munition und Ersatzteile mehr zur Verfügung stellen kann, werden
wir uns diese von unseren Gegnern besorgen."
"Kann es sein, dass wir aufgrund ihrer politischen Einstellung keinen
Nachschub mehr erhalten?" warf Sterncommander Michael provozierend
ein. "Sie lehnen die Invasion entschieden ab. Vielleicht will die
Clanführung sie auf diesem Wege beseitigen und uns alle gleich mit?!"
"Diese Unterstellung weise ich aufs Schärfste von mir, Sterncommander",
bellte der Sterncolonel wutentbrannt zurück. Die Anspannung der letzten
Tage ließ ihn für einen Augenblick seine sonst ruhige Art vergessen.
Jeden Moment rechneten die Anwesenden damit, dass er Sterncommander Michael
zu einem Duell im Kreis der Gleichen aufforderte. Schließlich hatte
dieser den Kommandanten gerade direkt für die verzweifelte Situation
der Garde verantwortlich gemacht. Für fünf lange Sekunden sagte
niemand ein Wort. Doch dann atmete der Colonel ein Mal tief durch und
sprach in einem ruhigen, aber bestimmten Ton weiter: "Ich unterstütze
die Invasion nicht, das ist wahr. Aber ich kämpfe für unseren
Clan und respektiere die Entscheidungen der Khane. Sie haben noch nie
einen Grund gehabt, meine Loyalität in Frage zu stellen. Wenn sie
Nachschub hätten, würden sie uns auch Munition und Ersatzteile
zukommen lassen. Es handelt sich um eine grobe strategische Fehlplanung,
die sicherlich personelle Konsequenzen haben wird. Allerdings werden diese
bis zum Ende der Kämpfe warten müssen. Bis dahin sollten wir
uns mit der Situation abfinden und versuchen, das Beste aus ihr zu machen!
Und politische Diskussionen sollten dabei nicht auf der Tagesordnung stehen,
frapos, Sterncommander?" Sein Tonfall ließ keinen Zweifel darüber
aufkommen, dass er keinen weiteren Widerspruch dulden würde. - "Pos",
gab Sterncommander Michael vorerst klein bei. Doch er wusste, dass er
den Konflikt damit nur aufgeschoben hatte. Früher oder später
würde ihn sein befehlshabender Offizier für diese Anschuldigung
zur Rechenschaft ziehen.
"Gut. Nachdem das geklärt wäre und keine weiteren Einwände
vorliegen, können wir mit der Planung der Operation beginnen,"
fuhr der Sterncolonel fort. Es folgten eine strategische Geländeanalyse,
die Aufstellung eines Suchmusters und die Zuweisung der einzelnen Sterne
für die Aufgaben. Der Alpha- und Beta-Trinärstern würden
sich um das Depot kümmern, während der Gamma- und Delta-Trinärstern
zur Vernichtung der Artillerie-geschütze eingesetzt werden sollten.
Mit Hilfe der Luft-/Raumjäger des Delta-Trinärsterns sollte
es möglich sein, die mobilen Artilleriegeschütze der ComGuards
schnell ausfindig zu machen und zu zerstören. Damit war die Besprechung
beendet und die Offiziere wurden zu ihren Einheiten geschickt, um diese
mit der Mission vertraut zu machen und auszurücken.
Obwohl die
Garde ein paar Tage später fast alle Artilleriegeschütze zerstört
hatte und auch das Nachschubdepot in ihre Hände gefallen war, brachen
die ständigen Hit-and-Run-Angriffe der ComGuards nicht ab. Die Alpha-Galaxis
machte sich bereit, gegen Luk vorzurücken. Abermals durfte die Vierte
Bärengarde nicht an vorderster Front kämpfen, sondern musste
die Rückendeckung übernehmen, die Nachschubwege sichern, sowie
Spanac gegen die in regelmäßigen Abständen angreifenden
ComGuards verteidigen.
Die Khane richten es geschickt so ein, dass die Alpha-Galaxis den größten
Teil des Ruhms einstreichen kann. Dabei wäre es ihr ohne die Beta-
und Delta-Galaxis niemals gelungen, Spanac allein zu erobern, dachte der
Sterncolonel.
Er hatte gerade die Einsatzbefehle für diesen Tag ausgegeben und
begab sich nun zu seinem Mech. Vor dem Zelt des neuen provisorischen HQs
wartete Sterncaptain Yvonne Bekker. Die schlanke Mechkriegerin mit den
langen rotbraunen Haaren war nicht nur die beste Kriegerin seines Sternhaufens
und seine Stellvertreterin, sondern auch seine Gefährtin. Für
viele Clankrieger war Liebe ein Fremdwort und sie reagierten mit Abscheu
auf dieses Gefühl und jede damit verbundene Erscheinung. Da die Geisterbären
aber von einem verheirateten Pärchen gegründet worden waren,
fand diese Art der Zuneigung bei ihnen unter allen Clans den meisten Zuspruch.
Dennoch versuchten beide ihre Beziehung weitgehend aus dem normalen Dienst
herauszuhalten, auch wenn es sich manchmal schwierig gestaltete. Als Yvonne
den Colonel mit einem intensiven Kuss begrüßte, war dieser
ausnahmsweise froh, dass sie außerhalb von Spanac stationiert waren,
um anrückende ComGuard-Verbände frühzeitig abzufangen.
In der belagerten Stadt wäre nicht einmal dieser kurze Augenblick
der Intimität möglich gewesen, da sie ständig unter Feindbeschuss
lag. Hier draußen, gut versteckt in den Hügeln, gab es wenigstens
kurze Momente des Aufatmens. Gemeinsam gingen sie zu ihren Maschinen.
Beide steuerten einen Waldwolf in der Alpha-Konfiguration. Diese Variante
stützte sich hauptsächlich auf Energiewaffen und war deshalb
am besten für einen längeren Feldzug geeignet. Die Clanführung
hatte viel zu wenig auf Energiewaffen gesetzt, wodurch die Nachschubprobleme
überhaupt erst entstanden waren. Zum Glück hatte der Clan diese
inzwischen durch Eroberung einiger ComGuard-Depots vorerst ausgleichen
können.
Bei ihren
OmniMechs angekommen, betrachteten sie das idyllische Panaroma, das sich
ihnen von der leicht erhöhten Position des Lagers bot. Unter ihnen
erstreckten sich weite goldene Weizenfelder und grüne Mischwälder,
so weit das Auge reichte. Dann zuckte der Blick des Sterncolonels zu seinem
Mech und er zeufzte. Dieser Agrarplanet ist ein kleines Paradies, ein
goldenes Juwel und jetzt verbreiten wir in unseren BattleMechs Tod und
Zerstörung unter dem falschen Banner der rechtschaffenen Erlöser.
Obwohl die Clans doch eigentlich nach dem Willen Kerenskys die Beschützer
solcher Planeten wie Tukayyid sein sollten.
"Es ist ein herrlicher Tag", unterbrach ihn Yvonnes Stimme in
seinen Gedankengängen. "Ja, das ist es", antwortete der
Sterncolonel. Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. So
standen sie ein paar Minuten, bis das Funkgerät sie jäh aus
ihren Gedanken riss. "Colonel, bitte melden sie sich!" - "Ja,
Tech Nicole, was gibt es?", beantwortete er den Ruf. "Sir, die
Alpha-Galaxis ist jetzt bereit zum Vorstoß auf Luk." - "Verstanden
HQ! Alpha Eins Ende." Der Sterncolonel wechselte auf die Frequenz
des Sternhaufens. "Alpha Eins an alle. Die Alpha-Galaxis beginnt
mit dem Vorstoß auf Luk. Aufsitzen, Krieger, es geht los! Ich wiederhole:
Alle Piloten aufsitzen und zum Ausrücken bereit machen! Sorgen wir
dafür, dass die Alpha-Galaxis sicheren Nachschub auf ihrem Vormarsch
erhält. Alpha Eins Ende."
Es war an der Zeit, sich von Yvonne zu verabschieden. Sie gab ihm noch
einen Kuss und ein "Pass auf dich auf!" mit auf den Weg, bevor
sie sich umdrehte und den Aufstieg in ihr Cockpit begann. Der Colonel
begab sich ebenfalls zu seinem Mech.
BattleMechs
waren die gewaltigsten Kriegsmaschinen, die die Menschheit je erschaffen
hatte. Seit mehreren hundert Jahren beherrschten sie bereits die planetaren
Schlachtfelder. Die meist zweibeinigen Kolosse waren bis zu zwölf
Meter hoch. Sie besaßen mehr Feuerkraft und Panzerungsschutz als
jeder herkömmliche Panzer und waren zudem weitaus beweglicher. Ihre
Piloten - Mechkrieger - gehörten zur absoluten Elite einer jeden
Armee und mussten eine äußerst harte Ausbildung über sich
ergehen lassen. Dies war aber notwendig, denn schließlich besaß
jeder Mech ein Vernichtungspotential, das ausreichte um innerhalb weniger
Minuten ganze Straßenzüge in Schutt und Asche zu legen. Demzufolge
lastete auf jedem Krieger eine sehr große Verantwortung. Manche
Piloten entwickelten in ihrem Mech auch ein Gefühl der Unverwundbarkeit
und hielten sich regelrecht für Götter. Oft wurden sie dann
erst wieder durch die gut gezielten, oft tödlichen Schüsse eines
gegnerischen Mechkriegers auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Der Sterncolonel schloss hinter sich die Cockpitluke und ließ sich
in seine Pilotenliege fallen. Er war nur mit Shorts, Stiefeln und Kühlweste
bekleidet, denn jedes zusätzliche Kleidungs-stück konnte später
ein Problem werden. Der Schwachpunkt der meisten BattleMechs war das Kühlsystem,
das die Abwärme der Waffensysteme nicht schnell genug ableiten konnte.
Viele unvorsichtige Piloten wurden in ihren Cockpits regelrecht gekocht.
Einige verloren sogar das Bewusstsein oder starben. Auch der Waldwolf,
den der Sterncolonel steuerte, neigte zu Überhitzungsproblemen. Ein
erfahrener Mechkrieger konnte dem jedoch durch gestaffeltes Abfeuern der
Waffensysteme entgegenwirken, solange er sich nicht durch seine Gefühle
dazu verleiten ließ, in der Hitze des Gefechts ununterbrochen die
Auslöser für die Bordgeschütze zu betätigen.
Die Kühlweste sollte ebenfalls dazu beitragen, die Körpertemperatur
des Piloten in akzeptablen Bereichen zu halten. Sie wurde durch zwei Schläuche
direkt mit dem Kühlsystem des Mechs verbunden. War der BattleMech
einmal aktiviert, breitete sich ein angenehmes Kribbeln auf der Haut des
Mechkriegers ausbreiten.
Nachdem er die Kühlweste angeschlossen hatte, befestigte der Sterncolonel
noch zwei Heftpflaster an Oberarm und Oberschenkel. In diese waren Sensoren
integriert, welche die Körperfunktionen des Piloten überwachten.
Als nächstes nahm er den Neurohelm aus seiner Halterung schräg
hinter dem Pilotensitz und setzte ihn auf. Über den Helm wurde der
Gleichgewichtssinn des Kriegers direkt mit dem Gyroskop des Kampfkolosses
verbunden. Nur dadurch konnte er bei schwierigen Manövern auf den
Beinen gehalten werden.
Nachdem dies alles erledigt war, konnte er den Mech hochfahren. Der Colonel
betätigte mehrere Schalter, woraufhin ihn jeweils eine Computerstimme
über den Fortschritt der Prozedur informierte: "Reaktor online.
Betriebstemperatur in 30 Sekunden erreicht. Kühlsysteme online. Gyroskop
online. Sensoren online. Systemdiagnose wird durchgeführt. Bitte
warten. Alle Systeme funktionstüchtig. Bitte identifizieren sie sich!"
Um den Mech vor Diebstahl und Missbrauch zu schützen, war er mit
diversen Sicherheitssystemen ausgestattet. Dazu gehörte auch ein
Stimmmusterabgleich. Außerdem konnte der Pilot noch einen persönlichen
Erkennungssatz eingeben. Nachdem er sich als Pilot der Maschine identifiziert
hatte, fuhr die Stimme fort: "Identität bestätigt. Steuerung
freigegeben. Waffensysteme online. Waffensystemdiagnose wird durchgeführt.
Bitte warten. Alle Waffensysteme funktionstüchtig." Nacheinander
leuchteten auf dem Display die Kontrolllämpchen für die beiden
Extremreichweiten-Partikelprojektorkanonen, die drei mittelschweren Impulslaser,
den leichten Extremreichweiten-Laser und die sechsrohrige Blitz-Kurzstreckenraketenlafette
auf. Auf dem Display erschien außerdem die auf 160 Grad projezierte
Rundumdarstellung der Umgebung. Jetzt war der Mech vollkommen betriebsbereit.
In extremen Notfallsituationen ließ sich natürlich auch ein
sogenannter Kaltstart durchführen, der bedeutend schneller verlief,
jedoch immer mit dem Risiko interner Systemschäden verbunden war.
Der Colonel betätigte den Schubhebel und mit gemächlichen Schritten
setzte sich der Waldwolf in Bewegung.
Die ComGuard-Einheit
in Kompaniegröße war offenbar vom Auftauchen seines Trinärsterns
überrascht worden. Sie befanden sich allerdings weit außerhalb
der eigentlichen Gefechtslinien. Dies erlaubte den Geisterbären aber,
anrückende und sich formierende Feindeinheiten frühzeitig anzugreifen,
bevor sie zu einer Bedrohung für die Hauptstreitmacht werden konnten.
Zuerst versuchten sich die zwölf Feindmechs und ihre Panzerunterstützung
aus dem Gefecht zu lösen. Als es ihnen nicht gelang, kämpften
sie verbissen weiter. Granaten und Energieblitze zuckten durch die flache
Talmulde und im aufgewirbelten Staub konnte man die Bahnen dutzender roter
und grüner Laserstrahlen verfolgen. Der Sterncolonel war stolz auf
seine Krieger. Geschickt wichen sie dem Beschuss der schwerfälligen
Panzer aus und ließen ihrerseits die feindlichen Mechs unter konzentriertem
Feuer erbeben. Die Elementare des Trinärsterns fielen über die
Panzer her wie ein Schwarm Heuschrecken und erledigten einen nach dem
anderen. Verzweifelt versuchten die ComGuards, seine Einheit hinzuhalten.
Wahrscheinlich hofften sie auf baldige Verstärkung. Die Vermutung
des Sterncolonels wurde dadurch bestätigt, dass sich die Mechs der
ComGuards an Zellbrigen hielten, den Clan-Ehrenkodex des Einzelduells.
Normalerweise kämpften Truppen der Inneren Sphäre unehrenhaft
und stürzten sich nur in einer Übermacht auf einen Gegner.
Als eine Meldung über Funk kam, wich er gerade dem PPK-Schuss des
Schwarzen Ritters aus, mit dem er sich duellierte. "Hier spricht
Sterncaptain Yvonne Bekker. Haben Feindkontakt in Sektor Zwo-Vier-Fünnef.
Ungefähr vier Sterne. Sie ziehen sich zurück. Nehmen Verfolgung
auf. Ich wiederhole: Beta-Trinärstern verfolgt 18 feindliche Mechs
in Sektor Zwo-Vier-Fünnef." - "Hier Alpha Eins. Bestätige.
Beta-Trinärstern verfolgt feindliche Mechs. Wir sind in Kampfhandlungen
verwickelt und werden euch unterstützen, sobald wir hier fertig sind.
Alpha Eins Ende."
Der Waldwolf erzitterte unter dem plötzlichen Gewichtsverlust von
fast einer Tonne Panzerung, als die Laser des Schwarzen Ritters sich durch
die Schutzhülle seines Mechs fraßen.
Stravag! So etwas darf ich mir nicht noch einmal erlauben!, fluchte der
Colonel.
Er zog das Fadenkreuz über die Silhouette des ComGuard-Mechs und
drückte ab. Zuerst die rechte ER-PPK, dann zwei Sekunden später
die linke, nachdem er das Fadenkreuz neu justiert hatte. Schließlich
ließ er noch sechs Raketen auf den Gegner niederstürzen. Der
erste PPK-Treffer schälte Panzerung vom Torso, während der zweite
durch die bereits beschädigte Panzerung des rechten Beines in die
interne Struktur vorstieß. Die Raketen senkten sich in Spiralbahnen
auf den Schwarzen Ritter herab und verursachten weitere interne Schäden,
als einige die Lücken in der Außenhaut fanden und im Inneren
der Maschine detonierten. Eine Rakete hatte offensichtlich das rechte
Hüftgelenk des Kampfkolosses stark beschädigt, denn nachdem
der Mech noch ein paar Schritte gegangen war, gab das Gelenk plötzlich
nach und der Mech stürzte frontal zu Boden. Als der Sterncolonel
seinen Mech näher an den Schwarzen Ritter heransteuerte und die PPK´s
auf dessen Cockpit ausrichtete, schaltete der ComGuard-Pilot seine Maschine
freiwillig ab.
Der Sterncolonel nutzte die kurze Atempause, um seinen Mech etwas aus
der Gefechtszone herauszusteuern. Ein Lindwurm hielt seinen Rückzug
für ein Anzeichen von Schwäche und feuerte seinen schweren Laser
und seine Langstreckenraketen auf ihn ab. Mit ein paar Salven war der
feindliche Pilot jedoch schnell eines besseren belehrt. Als der Colonel
sich aus dem Gefecht zurückgezogen hatte, ließ er sich auf
dem Sekundärmonitor den Sektor 245 und die angrenzenden Sektoren
zeigen. Plötzlich ergab die Taktik ComStars für ihn einen Sinn.
Stravag! Es war eine Falle! Die wenigen ComGuards die sie hier banden,
sollten sie davon abhalten, Yvonne zu Hilfe zu kommen! Wenn es ihnen gelang,
Yvonnes Trinärstern auszuschalten und eventuell danach auch meinen,
entblößt das die Nachschubwege der Alpha-Galaxis, so dass diese
den Angriff auf Luk würden abbrechen müssen!
Er versuchte eine Verbindung zu Yvonne aufzubauen, um sie zu warnen, aber
er vernahm nur statisches Rauschen. Offensichtlich setzte ComStar Störsender
ein. Die Falle war also bereits zugeschnappt. Dieses Scharmützel
hier muss so schnell wie möglich beendet werden, damit wir Yvonne
zu Hilfe kommen können. Wenn die ComGuards doch bloß Zellbrigen
brechen würden, dann könnten wir dieses Gefecht in wenigen Minuten
beenden! In seinem Kopf formte sich ein Plan. Nun brauchte er nur noch
die passende Gelegenheit. Sorgfältig analysierte er die kämpfenden
Mechs. Dort! Der Bluthund von Sterncommander Michael würde dem Feindbeschuß
des gegnerischen Highlanders nicht mehr lange standhalten. Wenn er fiel,
wäre der Highlander ohne Gegner. Offenbar lehnt sich Sterncommander
Michael nicht nur verbal etwas weit aus dem Fenster, schoß es dem
Colonel durch den Kopf. Der Highlander war für den Bluthund ein gefährlicher
Gegner. Er besaß dreißig Tonnen mehr Masse als der Mech des
Commanders und wurde vermutlich vom Kommandeur der ComGuard-Einheit gesteuert.
Langsam bewegte er seinen Waldwolf auf die Duellanten zu. In diesem Augenblick
bohrte sich auch schon eine Gausskugel des Highlanders durch die lädierte
Frontpanzerung, warf den Bluthund mehrere Schritte zurück und zertrümmerte
dessen Reaktorabschirmung. Der Bluthund verging in einem Feuerball, ohne
dass Sterncommander Michael vorher den Rettungssitz betätigen konnte.
Sofort stürmte der Sterncolonel vorwärts und eröffnete
das Feuer auf den Highlander. Beide PPK-Blitze badeten den feindlichen
Mech in grellblauem Licht und ließen dessen Torsopanzerung in Strömen
zu Boden fließen. Der Colonel beschleunigte den Waldwolf weiter
und steuerte nun aber direkt auf einen ComGuard-Lancelot zu, dessen Pilot
sich gerade mit einer Nova im Zweikampf befand. Den Torso ließ er
zunächst auf den Highlander gerichtet und schälte mit einem
Hagel von Lichtblitzen aus seinen mittelschweren Impulslasern weitere
Panzerung von dessen Armen und Torso. Kurz bevor er den Lancelot erreicht
hatte, lief er an ihm vorbei, blieb stehen und bewegte sich dann rückwärts
in dessen frontales Schussfeld. Währenddessen feuerte er weiterhin
mit den Lasern auf den Highlander, ohne Rücksicht auf die Wärmeskala
zu nehmen. Der Schweiß lief ihm in Strömen über den Körper.
Keine dreißig Meter vom Lancelot entfernt, drehte er ruckartig den
Torso zu diesem um und bewegte scheinbar beiläufig beide Arme mit
den darin befindlichen Partikelprojektorkanonen in dessen Richtung, ohne
jedoch auf ihn zu feuern. Dabei ignorierte er die Antwortsalve des Highlanders,
der mit seinem Gaussgeschütz das linke Bein des Waldwolfs traf und
dort fast die Hälfte des Panzerungsschutzes abschlug. Langstreckenraketen
schlugen über dem ganzen Mech verteilt ein, richteten aber nur geringe
Schäden an, da viele Raketen ihr Ziel verfehlten. Der Lancelot-Pilot
fiel wie beabsichtigt auf die Provokation herein und riss seinen Mech
ruckartig herum, um auf die scheinbare Bedrohung durch den Waldwolf zu
reagieren. Er feuerte mit seinen zwei schweren Lasern auf den Sterncolonel.
Beide trafen, konnten die Panzerung jedoch nicht durchdringen. Damit hatte
Pilot des Lancelots Zellbrigen gebrochen und schon eröffneten andere
Clankrieger das Feuer auf ihn. Einer nach dem anderen fielen die ComGuard-Mechs
der kombinierten Zerstörungskraft aller Clanmaschinen zum Opfer.
Die verbliebenen Panzer waren noch schneller erledigt. Der Sterncolonel
sammelte seine Krieger, ließ die Elementare aufsitzen und verlangte
von jedem einzelnen einen Statusbericht, während sie mit der Höchstgeschwindigkeit
seiner langsamsten Maschine nach Sektor 245 aufbrachen, um Yvonne zu Hilfe
zu kommen.
Doch er kam
zu spät. Die Schlacht tobte zwar noch, aber er konnte nirgendwo Yvonnes
Waldwolf entdecken. Ein Kriegsfalke stand einsam wie ein Fels in der Brandung
und erzitterte unter dem Bombardement mehrerer ComGuard-Maschinen. Einen
Arm hatte er schon verloren, aber der Pilot hielt den Kriegsfalken tapfer
aufrecht und schoss wie besessen um sich. Der Sterncolonel entdeckte noch
eine Nova, einen Grizzly und einen Höhlenwolf. Mehr war vom Beta-Trinärstern
nicht mehr übrig geblieben. Der Alpha-Trinärstern stürzte
sich auf die ComGuard-Mechs wie Raubvögel auf ihre Beute. Obwohl
Sie deutlich in der Unterzahl waren, hoben die Wildheit ihres Angriffs
und das Überraschungs-moment diesen Nachteil auf.
Zusätzlich fassten die verbliebenen Krieger des Beta-Trinärsterns
frischen Mut. Mit neu entflammter Hoffnung kämpften sie um ihr Überleben.
Zuerst fiel ein ComGuard-Lancelot, dann ein Highlander, danach ein Champion.
Plötzlich stand er vor den Überresten ihres Waldwolfs. In sich
zusammengesackt, kauerte die Maschine in knieender Position direkt vor
ihm, die Arme leblos am Rumpf baumelnd. Von den Schulteraufbauten fehlte
jede Spur. In seinem Hals bildete sich ein Kloß und eine dunkle
Vorahnung überkam ihn. Kalter Schweiß lief ihm über die
Stirn. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er Angst. Langsam
ging er um den toten Waldwolf herum, um einen Blick in das Cockpit des
gefallenen Mechs zu werfen. Doch auch davon war nicht mehr viel übrig
geblieben. Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Die gewaltige Zerstörungskraft, die das Cockpit zerquetscht hatte
wie eine Eierschale, konnte niemand überlebt haben. Niemals. Sterncaptain
Yvonne Bekker war tot.
Eine Welle der Verzweiflung schlug über ihm zusammen. Er zitterte
am ganzen Körper. Tränen liefen ihm das Gesicht herunter. Seine
Gefühle gewannen die Oberhand, schalteten seinen rationalen Verstand
aus. Wie ein Berserker stürzte er sich auf die ComGuards, wütete
in ihren Reihen wie eine Bestie. Er schoss seine PPK´s ab, so schnell
sie sich nachladen konnten. Ein Mech nach dem anderen fiel. Die Hitze
im Cockpit kletterte in unerreichte Höhen, doch er spürte sie
schon längst nicht mehr. Für ihn gab es nur noch Wut, Hass und
Verzweiflung. Dann verlor er das Bewusstsein.
Das grelle
weiße Licht blendete ihn selbst durch die geschlossenen Augenlider.
Er drehte den Kopf zur Seite, wurde jedoch mit stechenden Schmerzen in
seinem Hals dafür bestraft. Ganz langsam gewöhnten sich seine
Augen an die Helligkeit, bis er Einzelheiten erkennen konnte. Er befand
sich auf einer Krankenstation. Neben seinem Bett überwachte ein Arzt
die Anzeigetafeln. "Wo bin ich? Was ist passiert?", fragte er
diesen mit zittriger Stimme. "Was ist mit meinen Leuten? Wie lange
war ich bewusstlos?" Er versuchte sich zu bewegen, kam aber nicht
weit. "Machen sie sich keine Mühe, Colonel, sie sind am Bett
angegurtet. Es ist zu ihrer Sicherheit", antwortete der Arzt. "Ihr
Körper braucht noch ein paar Tage Ruhe, damit die Plasmaverbrennungen
verheilen. Sie können von Glück reden, dass sie noch unter uns
weilen. Kaum ein Mechkrieger hat bis jetzt einen PPK-Treffer in sein Cockpit
überlebt. Wie es um ihre Leute steht, kann ich ihnen leider nicht
sagen, aber sie brauchen keine Angst zu haben, dass sie etwas von der
Action verpassen. Für die Geisterbären ist die Schlacht zu Ende.
Achja, wir haben heute den 21. Mai. Sie lagen fast zwei Wochen im Koma."
- "Haben wir gewonnen?" - "Mmh, naja... Wie man´s nimmt.
Wir Bären haben zwar mehr oder weniger gesiegt, aber die Invasion
ist trotzdem vorerst vorbei. Als Arzt muss ich sagen: Gott sei Dank! Die
Verluste auf beiden Seiten waren enorm. Die ComGuards haben uns ganz schön
durch die Mangel genommen. Die Zeit der schnellen Siege für die Clans
sollte mit dieser Schlacht endgültig vorbei sein. Wenn es irgendwann
weitergeht, wird es für beide Seiten - sowohl Clans als auch Sphärer
- verdammt blutig werden. Und jetzt versuchen Sie zu schlafen, Colonel.
Gute Nacht!" Mit diesen Worten schaltete der Arzt das Licht aus und
schloß die Tür.
Das eiförmige
Landungsschiff zündete die gewaltigen Fusionstriebwerke und erhob
sich auf einer Stichflamme gen Himmel, die Prärien Tukayyids weit
unter sich lassend. Es war der 24. Mai und die Schlacht war seit drei
Tagen beendet. Die Geisterbären hatten einen minimalen Sieg errungen,
da sie eines ihrer Ziele einnehmen konnten und den ComGuards mehr Schaden
zugefügt hatten, als sie einstecken mussten. Doch alle Opfer waren
umsonst gewesen. Die Clans hatten verloren. Der hauchdünne Sieg der
Geisterbären und der überwältigende Sieg der Wölfe
konnten am Endergebnis nichts ändern. Die Invasion würde fünfzehn
Jahre ruhen.
Die Wracks der Mechs waren geborgen, die Toten beigelegt und die Gefangenen
ausgetauscht. Schon bald würden die Farmer auf diesen Planeten zurückkehren
und wieder ihre Felder bestellen. Doch die Wunden, die die Krieger beider
Seiten erhalten hatten, würden nicht so leicht verheilen, wie die
Furchen in den Hügeln. Das Grauen der Schlacht, die Brutalität
der Kämpfe, die Trauer und der Schmerz des Verlustes seiner Kameraden
würden jeden Überlebenden bis zu seinem Tode verfolgen. Maschinen
konnten ersetzt werden, ihre Piloten niemals.
Diese Gedanken schossen dem Sterncolonel durch den Kopf, als er dem Gang
des Landungsschiffes zu seiner Kabine folgte. Mit einem Zischen öffnete
sich die Tür und er nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Wieder
einmal keimte die Wut in ihm auf. Wut auf die Khane, die diese Invasion
einst eingeleitet hatten. Wut auf die Khane der Geisterbären, die
so blind in diese Falle namens Tukayyid gestolpert waren. Auch Wut auf
sich selbst, weil er dem nicht Einhalt geboten hatte, oder wenigstens
bei dem Versuch gestorben war. Ein Blinken auf dem Bildschirm erregte
seine Aufmerksamkeit. Neue Befehle waren eingetroffen. Er las die Meldung
wieder und immer wieder:
"Aufgrund ihrer hohen Verlustrate von rund 60 % pro Trinärstern
geht das Oberkommando davon aus, dass der Sternhaufen der 4. Bärengarde
als Einheit nicht mehr funktionsfähig ist. Die Überlebenden
werden aufgeteilt, um die Verluste anderer Einheiten zu ersetzen. Sie
werden den Befehl über einen Sternhaufen der Omicron-Galaxis übernehmen.
Setzen sie sich schnellstmöglich mit Galaxiscommander Kedric Gilmour
in Verbindung."
Bei jedem neuen Lesen stieg die Wut in ihm immer weiter an, kanalisierte
sich und brach sich ihren Weg. Diese Schlacht hatte ihm seine Liebe genommen,
seine Hoffnung, seine Kameraden. Die Hälfte der Krieger seines Sternhaufens
war tot. 60% aller Maschinen ein Totalverlust. Diese Schlacht hatte seine
Illusion geraubt, die Clans wären der Inneren Sphäre militärisch
überlegen. Jetzt kam das Oberkommando und nahm ihm auch noch sein
Kommando, seine Einheit, seinen letzten Rückhalt und versetzte ihn
zu einer Garnisonsklasse-Galaxis! Er stand auf und betrachtete in dem
kleinen Spiegel über der Wascheinheit die frische Narbe, die von
seiner linken Augenbraue hinunter zu seinem Kinn lief, fuhr mit der Hand
daran entlang. Seine rechte Hand ballte sich zu einer Faust. Mit einem
markerschütternden Wutschrei rammte er sie in den Spiegel. Das Glas
splitterte. Scherben schossen durch die Kabine, bohrten sich in seine
Hand und in seinen Arm. Doch er ignorierte die Schmerzen. Er schwor sich,
Rache zu nehmen.
Zunächst entfernte er jedoch die Scherben aus seiner Kabine und seinem
Körper, bevor sie in der herannahenden Schwerelosigkeit zu tödlichen
Geschossen werden konnten. Dann legte er sich auf die Pritsche. Blut floss
aus den Wunden seiner Hand und tropfte auf den Boden. Er schnallte sich
an, starrte an die Decke. Minutenlang. Stundenlang. Er spürte, wie
das Landungsschiff abbremste. Das Warnsignal für den Andockvorgang
erklang. Ein sanfter Aufprall und dann endlich die Schwerelosigkeit. Er
schloss die Augen.
Danksagung
Mein Dank
gilt Thomas Frank und meinem Bruder, René Wolfsteller, die sich
beide die Zeit genommen haben, um mir bei der Fehlerkorrektur zu helfen.
Sie machten mich auf einige Ungereimtheiten aufmerksam, die ich hoffentlich
aufklären konnte. Als Autor verliert man für diese Dinge oft
den Blick, weil man sich die gesamte Geschichte mit all ihren Details
im Kopf bereits vorstellt. Falls z.B. eine Beschreibung fehlt, nimmt es
der Schreiber nicht wahr, da sie im Gehirn von dem von der Phantasie gezeichneten
Bild automatisch ergänzt wird.
Also Jungs, ich danke Euch! Ohne Eure Hilfe wäre die Geschichte nicht
zu dem geworden, was sie jetzt ist.
Die Kälte des Grabes
05.04.2023
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