Auch Erben will gelernt sein...

05.04.2023

Teil 1: Auch Erben will gelernt sein...

ZWEIG, Olympus-Klasse Ladestation
Am Nadirsprungpunkt des Almach-Systems
12 Jänner, 3054


Major Jesar Aran durchquerte die Messe und gesellte sich zu den Schaulustigen an das Fenster des Gravdeck. Im Gegensatz zu den meisten Anwesenden war er jedoch kein Tourist oder zu seinem Vergnügen hier. Die Uniform eines Soldaten des Vereinigten Commonwealth mit den Abzeichen und Magnetstiefeln eines Raumfahrers zeugten zumindest optisch schon davon, das er sich von den anderen Leuten unterschied, die nach draußen blickten.

Doch anders als sie suchte Jesar etwas bestimmtes, sein Erbe. Sein Onkel, Garth Aran, einziger anderer Überlebender der Aran-Familie war vor kurzem gestorben und hatte seinem Neffen ein wahrlich unbezahlbares Erbe hinterlassen, ein Sprungschiff der Invasor-Klasse. Ein beeindruckendes Stück Lostech und Jesar hatte gut und gerne Lust, dieses Erbe anzunehmen, würde es doch noch mindestens ein paar Jahre dauern, bevor er vom Posten des Ersten Offiziers zu dem des Kommandanten eines militärischen Sprungschiffes aufsteigen würde. Das Erreichen dieses Zieles um ein paar Jahre zu verkürzen war dementsprechend verlockend für den Raumfahrer, doch so leicht wollte es ihm Garth nicht machen. Er hatte nämlich zwei Bedingungen an das Erbe geknüpft und nun war Jesar hier, um sich davon zu überzeugen, dass es diese Bedingungen wert war. Die Erste war nicht nur simpel, sondern auch verständlich. Er musste die meisten Besatzungsmitglieder des Schiffes behalten, wenn er es übernahm. Dies hatte Jesar sowieso von Anfang an vorgehabt und zudem war es praktisch, da er gleich eine Crew hatte, die sich mit dem Schiff auskannte. Die zweite Bedingen war allerdings ein wenig heftiger. Wenn er das Kommando über die VIXEN übernehmen wollte, musste er seine militärische Karriere und seine Uniform des Vereinigten Commonwealth an den Nagel hängen. Ein großer Schritt für ihn, auch wenn er sicher war, dass das Oberkommando des Commonwealth trotzdem immer noch eine Verbindung zu ihrem ehemaligen Offizier pflegen würde, schließlich konnte man ein Sprungschiff immer gebrauchen.

Während Jesar nun darüber nachdachte, kam das Objekt seiner Begierde über den Horizont oder besser gesagt drehte sich das Gravdeck nun in die passende Richtung, um einen kurzen Blick darauf zu werfen. Das Sprungschiff der Invasor-Klasse ruhte mit ausgebreitetem Solarsegel an seiner Parkposition und einzelne Lichter beleuchteten seine Außenhülle. Jesar fiel die ungewöhnliche Verdickung auf, die an Stelle eines der drei Dockkrägen saß. Den Daten nach, war der Dockkragen schon irreparabel beschädigt gewesen, bevor Garth Aran das Schiff übernommen hatte. Mit etwas Geld, ein paar Gefallen und angeblich einem absolut wahnsinnigen Techteam, hatte sein Onkel dann aus dem Kragen einen Hangar gebastelt. Nicht besonders schön, geradezu hässlich eigentlich, aber durchaus funktionsfähig und dafür ausgelegt, zwei Paare Luft/Raumjäger aufzunehmen. Ein unschätzbarer Vorteil also, der dem guten Garth eine Menge Aufträge eingebracht hatte. Genug, um das Schiff vollkommen in einen Besitz zu bringen und noch ein paar andere Änderungen vorzunehmen. Unter anderem hatte er die Partikelprojektorkanonen durch Gaussgeschütze ersetzt und ein paar mittlere Impulslaser als Meteoritenabwehr um den Rumpf verteilt angebracht, was die VIXEN zu einer durchaus wehrhaften Dame machte.

"Mal sehen, wie es in ihrem Inneren aussieht" murmelte Aran leise, als das Sprungschiff wieder außer Sicht glitt. Dann drehte er sich um, gab seinen Platz am Fenster an einen anderen ab und verließ das Gravdeck in Richtung Hangar. Dort würde ihn eines der Beiboote der VIXEN erwarten, um ihn an Bord zu bringen. Und dort, würde er sich dann entscheiden. Ein Leben als freischaffender Sprungschiffkapitän sofort oder ein Kommando über ein militärisches Sprungschiff in ein paar Jahren.

VIXEN, Invasor-Klasse Sprungschiff
Am Nadirsprungpunkt des Almach-Systems
15 Jänner, 3054


Jesar betrat die Brücke der VIXEN und blickte sich unter den Anwesenden um. Vor allem Frank Black, der erste Offizier des Schiffes, warf ihm einen neugierigen Blick zu. Neugierig aus dem einfachen Grund, weil heute, hier und jetzt die Entscheidung fallen musste, die über das weitere Schicksal von Aran und dem Schiff entschied.

Der Raumfahrer hatte die letzten Tage damit verbracht, sich das Schiff anzusehen und musste unweigerlich zugeben, dass es mehr als in Bestform war. Sogar die automatisierten, hydroponischen Gärten funktionierten perfekt und sein Onkel Garth hatte zu allem Überfluss noch eine neue, stärkere Panzerung eingebaut. Damit wurde die VIXEN zu mehr als einem lohnenswerten Ausblick für die Zukunft. Und so war Jesar die Entscheidung alles andere als leicht gefallen.

Unter dem wachsamen Blick des EO trat er nun zur Komtech und reichte ihr einen Compblock: "Senden sie bitte eine Nachricht zur HPG Station auf dem Planeten. Übertragen sie meinen Text und die Bezahlung soll über mein Offizierkonto laufen." Damit wandte sich Aran um und trat zum Kommandosessel, neben dem Black schon auf ihn wartete. Und Jesar konnte deutlich die Blicke der anderen Anwesenden in seinem Rücken spüren.

"Schließlich" begann er nun und ließ seinen Blick in der folgenden Pause über die Brücke wandern: "Werde ich es nicht mehr lange haben, da sollten wir es noch ausnutzen. Meine Entscheidung ist gefallen, ich trete meine Erbe an und übernehme die VIXEN." Jubel brandete über die geräumige Brücke und dann trat Frank vor und reichte ihm die Hand: "Ich freue mich über ihre Entscheidung und, dass sie in die Fußstapfen ihres Onkels treten werden." "Danke" erwiderte Aran und ergriff seine Hand: "Und ich dachte schon, sie würden ..." "Probleme haben" half ihm der EO aus: "Nein, ich war vielleicht der zweite Mann bei ihrem Onkel und werde es, so hoffe ich, auch bei ihnen sein. Aber ich habe nicht den Wunsch, die ganze Verantwortung zu tragen. Schon gar nicht, bei diesem verrückten Schiff."

Jesar erwiderte das ehrliche Lächeln, das diesen Worten folgte und ließ sich dann im Kommandosessel nieder. Dann schnallte er sich an und wandte sich dann an Black: "Na dann EO, ich erwarte den aktuellen Statusbericht in einer viertel Stunde!" "Aye, aye Sir."

VIXEN, Invasor-Klasse Sprungschiff
Am Nadirsprungpunkt des Almach-Systems
15 Jänner, 3054


Später am Abend saß Jesar in der Messe, die sich im Gravdeck seines neuen Schiffes befand und verfasste gerade weitere Botschaften. Oder zumindest versuchte er dies. Denn es war gar nicht so leicht, die passenden Worte zu finden, um ein paar Freunde dazu zu bringen, ihm zu folgen. Die besagten Leute zählten ebenfalls zur Flotte des Vereinigten Commonwealth und hatten solide Posten, wenn auch etwas unterbezahlt befand Aran. Und dies war auch der perfekte Ansatz, um sie auf seine Seite zu ziehen. Zumindest würde er es versuchen, einerseits um ein paar Mitglieder der Besatzung zu ersetzen, die nach seiner Ankündigung von Bord gegangen waren und andererseits, weil er gerne wieder mit ihnen zusammenarbeiten wollte. Zumindest Patricia Cella würde er mit ziemlicher Sicherheit überzeugen können. Immerhin beschwerte sich die Waffenleitoffizierin immer, dass ihre Aufgabe eigentlich bei Landungsschiffen liegen sollte. Einem Sprungschiff mit der Bewaffnung der VIXEN würde sie wohl nicht wiederstehen können, ebenso wenig wie Jesar es getan hatte. Und auch die anderen würde er irgendwie überzeugen können, nahm sich der neue Kommandant des Sprungschiffes vor.

"Geht es voran Sir?" wollte die Komtech wissen, die gerade die Messe betreten hatte und sich nun eine Vakuumtasse mit Tee holte. "Schlechter als ich dachte" erwiderte Jesar ehrlich: "Aber ich denke doch, dass es mir gelingen wird. Und dann" stellte er fest, während er aufstand und zum Sichtfenster ging, vor dem das Universum vorbei zog: "beginnt der Spaß."



Teil 2: Quer durch die Innere Sphäre I

VIXEN, Invasor-Klasse Sprungschiff
Am Nadirsprungpunkt des Sabik-Systems
04 Februar, 3054


Der lange, staubgraue Rumpf des Sprungschiffes glänzte im Licht der fernen fahlgelben Sonne und wurde nur von der leere des interstellaren Raumes umspült. Zumindest fast nur, denn etwas sehr bedrohliches bewegte sich mit hoher Geschwindigkeit auf den spindelförmigen Rumpf zu.
Blutrote Energielanzen zuckten als Erwiderung in rascher Folge aus dem Lauf des mittelschweren Impulslasers und überwanden die Leere zum Ziel in einem Sekundenbruchteil. Alle schlugen mit gleichmäßiger Präzision in den Meteoriten ein und während die kleineren Augenblicklich verdampft wurden, brach der größte lediglich auseinander. Doch die Bruchstücke, so weit sie nun auch danach strebten, sich auseinander zu bewegen, hatten nicht die geringste Chance, ihrem drohenden Ende durch den Lichtwerfer zu entgehen. Wenige Augenblicke später waren sie alle nur noch wage Erinnerungen und langsam verblassende Echos auf den Sensoranzeigen.

"Letzter Stein erledigt" meldete die Waffenleitoffizierin zufrieden und ließ ihre Hände zärtlich über ihre Kontrollen wandern. In der Mitte der großen Sprungschiffbrücke lehnte sich Captain Jesar Aran erleichtert in seinem Kommandosessel zurück: "Danke Pat. Ruder, richten sie den Bug wieder zentral auf die Sonne aus! Und dann sollten wir schleunigst unseren KF-Antrieb weiter laden, schließlich wollen unsere Kunden nach Hause kommen." Bestätigungen hallten über die Brücke und dann konnte Jesar auf dem Hauptschirm sehen, wie sich das gefilterte Abbild der fernen Sonne wieder in der Mitte des Schirmes zentrierte. Zufrieden wandte er sich nun wieder der Waffenleitkonsole zu. Dort saß seine alte Bekannte Patricia Cella und war ganz darin vertieft, den gerade durchgeführten Beschießungsplan in den Computer einzugeben um so die Effektivität für das nächste Mal noch zu steigern. Sie war wahrlich eine Waffennärrin und hätte er es ihr nicht nach dem ersten Kennenlernen verboten, würde sie ihr Quartier wohl dauerhaft zu den Munitionslagern für die beiden Gaussgeschütze verlegt haben. Kaum war sie an Bord gewesen, hatte sie sich sofort auf die wirklich exklusive Bewaffnung der VIXEN gestürzt und einige neue Tricks in den Feuerleitcomputer einprogrammiert. Unter anderem hatte Patricia auch gleich Simulationen für den Einsatz aller Waffen aufgebaut und sie eingeübt. Vom sehr unwahrscheinlichen Fall eines Angriffes auf ein anderes Schiff, bis hin zur gerade eingetretenen und der ungleich hüufiger vorkommenden Abwehr von Meteoriten.
Im Grunde genommen verfügte Jesar nun über eine Waffenleitoffizierin die fast ebenso in das Schiff verknallt war, wie der Chefingenieur. Auch wenn sich ihre Vorlieben auf unterschiedliche Bereiche des fünfhundertfünf Meter messenden Sprungschiffes bezogen.
"Nun gut, Black, sie haben die Brücke!" wies Aran seinen EO an, während er sich abschnallte und dann die Sohlen seiner Magnetstiefel auf das Deck setzte. Mit geübten Schritten bewegte er sich dann auf die Türe der Brücke zu: "Ich bin in meinem Quartier und schreibe einen langen und sehr ausführlichen Bericht über den Vorfall. Vielleicht bringt uns das bei unserem Kontrakt noch ein paar Extranoten." "Aye Captain" bestätigte der Erste amüsiert, während er ihm amüsiert nachblickte. Ein paar Details seiner militärischen Laufbahn hatte der neue Kommandant noch beibehalten, unter anderem der unwahrscheinlich vernünftigen Eintrichterung, alles in einem Bericht festzuhalten. Eine Eigenschaft, die er mit der neuen Waffenleitoffizierin teilte, was vielleicht den einen oder anderen zivilen Raumfahrer an Bord verwunderte, sich aber in gewissen Situationen als äußerst nützlich entpuppte. Vor allem, wenn es um die Rechnung ging, die ihre Kunden oder die sie selbst gegenüber Werften ect. zu begleichen hatten.

VIXEN, Invasor-Klasse Sprungschiff
Am Nadirsprungpunkt des Io-Systems
09 Februar, 3054


Im Konferenzraum der VIXEN beugte sich der Navigator über die Kontrollen des kleinen Holoprojektors und justierte die Sternkarte darin. Nachdem er ein paar Daten hinzugefügt hatte, lehnte er sich wieder zurück: "Sobald wir unseren Antrieb aufgeladen haben, können wir nach New Earth springen. Den Kurs dorthin habe ich bereits berechnet. Und ich habe mir auch erlaubt zwei weitere Sprünge nach Outreach zu errechnen." "Vielen Dank Mr. Stiles" erwiderte Jesar und musterte dann kurz die Sternenkarte, bevor er seine versammelten Offiziere nach der Reihe anblickte: "Sobald wird unsere Kunden auf New Earth abgesetzt haben, werden wir uns an der dortigen Ladestation die Energie für den nächsten Sprung holen und mit etwas Glück auch gleich die Bezahlung dafür." "Dafür brauchen wir schon sehr viel Glück Captain" meldete sich der EO zu Wort: "Die lassen sich eine Ladung gut zahlen. Vielleicht wäre es klüger, diesmal darauf zu verzichten und statt dessen nur nach neuen Kontrakten zu suchen. Ob wir eine Woche früher oder später bei Outreach ankommen oder nicht, sollte keine große Rolle spielen." "Da bin ich anderer Meinung. Ein paar heiße Jobs könnten uns verloren gehen, wenn wir nicht schnell genug sind" teilte Patricia ihre Meinung mit: "Und unsere beiden altersschwachen Luft/Raumjäger könnten Verstärkung gebrauchen. Immerhin haben wir schon die Möglichkeit, zwei Lanzen mitzunehmen, dann sollten wir sie auch nutzen." "Ja, nur L/R-Jäger wachsen nicht auf Bäumen und ihre Piloten erst recht nicht. Die Kosten wären sogar noch höher und dann sollten wir erst recht auf eine gekaufte Ladung verzichten" blieb Black hart: "Selbst wenn uns dann die besten Piloten verloren gehen, können wir immer noch die Zweitbesten anheuern." "Schluss jetzt" unterbrach Aran seine beiden Besatzungsmitglieder und beugte sich vor: "Ich schätze ihre Meinung, aber die Entscheidung ist bereits gefallen. Wir holen uns eine Ladung, dass bringt uns in Kontakt mit der Crew der Ladestation und das wiederum, kann uns Informationen eröffnen. Aber Mr. Black hat recht, wir können uns keine zu großen Verluste leisten. Daher werden wir wohl bei unseren beiden alten Zeros bleiben. Und dann sehen wir uns mal an, was Outreach zu bieten hat. Oder besser gesagt, was wir den dortigen Söldnereinheiten bieten können."

Olympus-Klasse Ladestation
Am Nadirsprungpunkt des Outreach-Systems
01 März, 3054


Das Restaurant im Gravdeck der Station war nur sehr spärlich besucht, was den wenigen Anwesenden jedoch ganz recht war. Zu diesen zählte auch Captain Jesar Aran und sein erster Offizier. Die beiden Männer hatten ihre Mahlzeit beendet und beschäftigten sich nun damit, vorliegende Ausschreibungen angesehener Werften in Sachen Wartung durchzusehen. Die VIXEN bedurfte zwar nicht in diesem Augenblick einer Generalüberholung, doch es war besser, sich schon früh zu informieren und dann vor allem zu reservieren. Denn es gab im Gegensatz zur Anzahl der Sprungschiffe nur eine höchste begrenzte Kapazität an Raumwerften, die diese warten konnten. Und für welche man sich schlussendlich entschied hing ebenso sehr vom Preis, wie von der augenblicklichen politischen Lage ab. Und keines von beidem gefiel dem Kommandanten des Sprungschiffes.
Just in dem Moment, in dem er sich einem neuen Angebot zuwenden wollte, trat ein Komtech der Station auf den Tisch zu, salutierte kurz halbherzig und reichte Aran dann eine Nachricht. Dieser nickte kurz dankbar und wandte sich dann dem Blatt zu. Nachdem er es einmal durchgelesen hatte, reichte er es seinem Ersten und lehnte sich zurück: "Was halten sie davon Frank?" "Wie es scheint, könnten wir die Frage nach dem Preis verschieben" erwiderte dieser, nachdem er die Nachricht ebenfalls durchgelesen hatte: "Aber ob wir uns darauf einlassen sollten?" "Die Frage ist weniger ob wir uns darauf einlassen sollten, sondern mehr, wie wir die Sache dann überleben" verbesserte ihn Jesar. Dann verschränkte er seine Hände hinter dem Kopf und dachte in Ruhe nach.
Die VIXEN war gewissermaßen kampfbereit und dank ihrer zwei Luft/Raumjäger äußerst gut verteidigt. Das Problem war nur, dass diese Verteidigung vielleicht nicht ausreichen würde. Denn die Nachricht, die sie soeben erhalten hatten, bot ihnen einen lukrativen Kontrakt mit einem niedrigen Adligen an. Transport einer von ihm angeworbenen Söldnertruppe in die Randterritorien. Das Problem war nur, dass sie dazu fast neun Monate benötigten und es damit nicht sicher war, dass sie rechtzeitig eintreffen würden. Ganz zu schweigen davon, dass ein etwaiger Gegner ihres Auftraggebers damit genug Zeit und auch Möglichkeiten hätte, etwas zu unternehmen. Doch die Bezahlung und die relative Nähe von einem Monat zu einer Raumwerft konnte das fast ausgleichen. Schließlich richtete sich Jesar wieder auf und wandte sich an seinen Ersten: "Mr. Black, rufen sie die VIXEN und rufen sie ein Treffen aller Offiziere ein, sobald wir wieder an Bord sind. Bis dahin werde ich eine kurze Rückfrage starten." "Heißt das, wir nehmen das Angebot an?" wollte der Angesprochene wissen und erntete dafür nur ein schiefes Grinsen: "Mal sehen, was der Rest der Crew dazu meint. Dann entscheide ich darüber. Aber ich vermute fast, dass es ein paar gute Argumente gibt, die sie überzeugen werden."



Teil 3: Quer durch die Innere Sphäre II

Brücke, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des Buchlau-Systems
14 März, 3054

Jesar überprüfte die Anzeigen und klopfte dem Sensortech danach auf die Schulter: "Behalten sie Sektor 9 ab heute gut im Auge. Wir können uns keinen Fehler beim einholen des Segels leisten!" "Verstanden Captain" erwiderte der Angesprochene und konzentrierte sich danach wieder vollständig auf die Konsole. Unterdessen überließ es Aran seinem Besatzungsmitglied, sich weiter um das Problem zu kümmern, stieß sich ab und schwebte zum Kommandosessel zurück. Das Problem war in diesem Fall eines der Kabel des Solarsegels, dass durch Partikelabrieb und allgemeine Abnutzungserscheinungen Zeichen einer ersten Materialermüdung zeigte. Zwar noch weit innerhalb akzeptabler Toleranzwerte, doch konnte eine solche Ermüdung leicht zu einem vibrieren des Seiles und damit des Segels führen. Bemerkte man dies zu spät oder reagierte falsch, konnte dadurch das Segel beschädigt oder gar komplett zerstört werden, was eine absolute Katastrophe darstellte.
Aus diesem Grund hatte der Captain dem normalerweise dafür zuständigen Offizier einen Sensortech zur Seite gestellt, um das Segel und vor allem dieses eine Kabel von nun an im Auge zu behalten. Da diese Aufgabe nun in guten Händen schien, schnallte sich Jesar in seinem Sessel an und aktivierte dann das Interkom in der Armlehne: "Brücke an Geschützstand B." "Hier Cella Captain" meldete sich die Waffenleitoffizierin kurz darauf und sie klang dabei erschöpft und abgespannt. Was wohl damit zu tun hatte, dass das Gaussgeschütz an Steuerbord bei seinem letzten Einsatz beschädigt worden war und Patricia die letzten beiden Tage mit den Techs damit zugebracht hatte, es zu reparieren. Aber darauf konnte Jesar als Kommandant keine Rücksicht nehmen, auch wenn er sich vornahm, sie von ihrer nächsten Schicht zu entbinden, damit sie ausschlafen konnte: "Wie ist der Status des Geschützes?" "Wir sind fast fertig geworden, Skipper" meldete Pat und nun klang die Offizierin trotz ihrer Erschöpfung stolz und zufrieden: "Wir wissen immer noch nicht warum sie sich gelöst hat, aber die verkeilte Strebe im Zuführer ist inzwischen ausgetauscht und die verklemmte Kugel entfernt. Die Kondensatoren sind frisch justiert und das Baby schnurrt wieder wie ein Kätzchen." "Mir wäre es lieber, wenn es wieder feuern würde wie eine Kanone" neckte Jesar sie und erhielt ein wortloses Schnauben als Antwort: "Schon gut, schon gut. Also kann ich das Gaussgeschütz wieder als einsatzbereit ansehen?" "Aye und wenn die Techs mit meinen Modifikationen fertig sind, lädt es auch mindestens zwei bis vier Sekunden schneller als zuvor." "Solange sie versprechen, dass uns das Ding dann nicht um die Ohren fliegt, ist mir das ganz recht. Gute Arbeit, das gilt für alle da unten, Brücke aus" damit beendete Aran die Verbindung und ließ sich zufrieden zurück sinken. Alles schien gut zu laufen und sie lagen perfekt im Zeitplan ihres neuen Kontraktes. Doch der Sprungschiffkapitän wusste genau, dass auf eine Zeit in der nur gute Dinge passierten, nur zu schnell eine folgen konnte, in der es ganz anders zuging. Und das bereitete ihm Sorgen.

Offiziersquartiere, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des Demeter-Systems
16 März, 3054

Black klopfte an der Türe der Kapitänskajüte und fast sofort wurde er herein gebeten. Sein Kommandant war gerade dabei sich einen frischen Overall anzuziehen, nachdem er sich nach seinem Training auf dem Gravdeck geduscht hatte und wirkte irgendwie fröhlich. Fast tat es dem ersten Offizier leid, die gute Laune seines Captains stören zu müssen, doch es hatte sich ein durchaus dringendes Problem ergeben, dass sofort geklärt werden musste.
"Was gibt es?" wollte Aran nun wissen, während er seinen Overall verschloss und dann nach seinem frei schwebenden, rechten Stiefel angelegte. "Es geht um unsere Passagiere Sir und um das Gravdeck" kam Frank gleich ohne Umschweife auf den Punkt: "Die Anfangseinteilung war gut genug für die Crew des Landungsschiffes, aber die Mechkrieger machen inzwischen Ärger. Ihrer Meinung nach gebührt ihnen mehr Zeit auf dem Gravdeck und die Größe der Söldnereinheit verkompliziert die Sache noch." Der letzte Punkt war inzwischen ein schon mehrfach besprochenes Problem, denn die Söldnereinheit bestand nicht nur aus zwei Landungsschiffen, einer Union- und einer Leopard-Klasse, sondern auch aus einer verstärkten Kompanie mit vier Lanzen und insgesamt 16 Mechkriegern. Und weil Major Rook, deren Kommandant, entschieden hatte, seine Einheit Lanzenweise in vier Schichten rotieren zu lassen, kollidierten sie regelmäßig mit der Crew des Sprungschiffes. Denn die Besatzung der VIXEN rotierte in drei Schichten. Die Landungsschiffsbesatzungen hatten zwar ebenfalls eine Dreiteilung, brauchten aber allein durch ihre Anzahl schon einen gewissen Freiraum. Und weil sowohl die Bordärztin der VIXEN, als auch der vergleichsweise unausgebildete, dafür umso motiviertere Medooffizier der Söldnereinheit darauf bestanden, dass jeder Mensch an Bord der drei Schiffe mindestens jeden zweiten am besten noch jeden Tag auf dem Gravdeck trainierte, war es eine logistische Meisterleistung, eine gut funktionierende Einteilung zu treffen. Zwar hatte Jesar gedacht, das Wunder vollbringen zu können, doch anscheinend war dem nicht so.
Seufzend streifte er sich nun den Stiefel über und verschloss ihn. Während er sich seinem EO zuwandte, griff er nach dem zweiten, den er an die Decke geheftet hatte: "Da unsere gute Frau Doktor M´Benga sicherlich nicht begeistert sein wird, wenn wir alle an Muskelschwund sterben, bleibt uns wohl keine andere Wahl. Wir müssen eine neue Einteilung treffen, aber ich glaube ich werde diesmal meine Privilegien ausspielen." "Ich fürchte ich weiß, worauf sie hinaus wollen Skipper" stellte Frank seufzend fest und seine Niedergeschlagenheit wurde noch größer, als er das Grinsen auf dem Gesicht des Captains erblickte. "Ganz genau, als EO teile ich ihnen die Aufgabe zu, eine neue und sicherlich bessere Einteilung zu treffen!" gab Jesar nun den hinterhältigen Befehl: "Aber Kopf hoch, ich bin sicher es wird ihnen gelingen meine Einteilung zu überbieten. Und sollte es Probleme geben, verweisen sie den Major einfach an mich." "Aye, Aye Sir" bestätigte Black und ließ die Schultern hängen, ob der zweifelhaften Ehre die ihm da zuteil geworden war.

Brücke, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des Demeter-Systems
22 März, 3054

Auf dem Kommandodeck des Invasor-Klasse Sprungschiffes herrschte rege Betriebsamkeit. Der Sprungantrieb war frisch aufgeladen, das Solarsegel inzwischen eingeholt und verstaut worden und alles bereitete sich auf den nächsten Sprung vor. Einen Sprung, der sie ihrem Ziel einen ganzen Schritt näher bringen sollte und noch andere Vorzüge für sie bereit hielt. Denn sobald sie wieder im Normalraum materialisierten, würde eine Ladestation einladend auf sie warten. Zwar würde ihr Konto nicht zulassen, dass sie sich eine frische Ladung für ihren Kearny-Fuchida Antrieb holten, doch während sie ihr Solarsegel ausbreiteten und ihren Antrieb luden, hatte Aran jedem Besatzungsmitglied wenigstens einen halben Tag Landurlaub versprochen. Das bedeutete die Vorzüge einer Stadt im Weltraum zu genießen, denn nicht anderes waren die großen Olympus-Klasse Ladestationen. Riesige Gravdecks mit Restaurants und anderen Räumlichkeiten und natürlich der ganze andere Mischmasch aus Geschäften und Läden, die jeder Raumstation, die regelmäßig Besatzungen von Raumschiffen den Zugang ermöglichte, eigen waren.

Grinsend lehnte sich der Captain nun in seinem Sessel zurück und wandte sich an den Chefnavigator: "Mr. Stiles, wie weit sind sie mit der Berechnung?" "Fertig Sir" meldete der Angesprochene und auf seinem Gesicht zeigte sich ein breites Grinsen: "Koordinaten programmiert und eingeloggt. Wir sind bereit zum Sprung." "Ausgezeichnet Mr. Stiles" nickte Jesar zufrieden und wandte sich dann dem Ruderoffizier zu: "Also dann, die letzte Warnung ist verklungen. Wir springen!" "Aye Sir, Sprung in 10 .. 9 .. 8 .. 7 .. 6 .. 5 .. 4 .. 3 .. fertig .. bereit und los!" Im nächsten Moment rissen die gewaltigen Energien des K/F-Antriebes das Universum auf und die VIXEN verschwand von einem Sekundenbruchteil zum nächsten, nur um in ungefähr 27,9 Lichtjahren Entfernung wieder zu materialisieren.



Teil 4: Quer durch die Innere Sphäre III

Messe, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des Vackisujfalu-Systems
28 November, 3054

"Noch eine paar Tage und wir haben unseren Kontrakt erfüllt" stellte Black zufrieden fest, bevor er den Vakuumbecher hob und einen tiefen Schluck nahm. Der Navigationsoffizier, der am gleichen Tisch saß wie der EO nickte zustimmend und holte dann einen Compblock hervor: "Ganz recht. Und dank glücklicher Fügung haben wir auch gleich schon einen passenden Kontrakt für den Rückweg in Aussicht." "Eine kleine Firma und ihr Frachtschiff der Mule-Klasse würde ich zwar nicht gerade als großen Gewinn einstufen" brummte der Erste: "Aber immerhin kommen wir dadurch mal wieder nach New Avalon." "Wieder, heißt das, sie waren schon mal da?" wollte nun Patricia wissen, die sich mit ihren Offizierskollegen einen Tisch geteilt, aber bis jetzt in ihren eigenen Compblock vertieft gewesen war: "Sie waren schon mal auf der Zentralwelt?" "Aye, das war ich" stimmte Frank lächelnd zu: "Was dort für ein Sauhaufen an den Sprungpunkten herrscht, dass will man sich gar nicht vorstellen. Unsereins wird dort im Minutentakt abgefertigt und es schwirren mehr Luft/Raumjäger herum, als man zählen könnte." "Durchaus angemessene Sicherheitsmaßnahmen" stellte die Waffenleitoffizierin fest, um sich dann dem Chefnavigator zuzuwenden: "Wann könnten wir denn dort sein?" Dieser überlegte kurz und gab dann eine Anfrage in seinen Compblock ein: "Wenn wir planmäßig liefern und unseren neuen Gast gleich aufnehmen können. Sagen wir in zwei bis drei Monaten. Je nachdem, welche Wege unser Captain einschlagen will." Ohne ein weiteres Wort sprang Pat auf und stieß sich dann ab, um zum Ausgang zu schweben. Als sie den Raum schon halb durchquert hatte, rief sie ein "Danke" zurück und war im nächsten Moment verschwunden. "Was hat die denn?" wollte Stiles wissen und blickte den EO verständnislos an. "Vielleicht ist sie aufgeregt, weil wir die Zentralwelt besuchen" schlug dieser vor und hob erneut seinen Vakuumbecher: "Oder sie hat Frauenprobleme. Was weis ich."

Brücke, VIXEN
Am Nadirsprungpunkt des Bureau-Systems
7 Dezember, 3054

Auf dem großen Hauptsichtschirm war zu sehen, wie sich zwei Landungsschiffe mit einem Standardschub von 1G von der VIXEN entfernten und auf den fernen Planeten zustürzten.
"Major Rook übermittelt noch einmal seinen Dank für die reibungslose Reise" meldete in diesem Moment die Komtech: "Und die MEANDER bittet um Koordinaten zum Andocken Sir." "Übermitteln sie die Koordinaten für Dockkragen Beta und dann senden sie ihrem Captain eine Einladung. Er soll an Bord kommen um die nötigen Dinge zu klären!" befahl Aran ihr und als die junge Frau bestätigte, wandte sich der Captain wieder dem Sichtschirmes zu. Während er darauf die kleiner werdenden Antriebsflammen der beiden Söldnerlandungsschiffe beobachtete, überdachte Jesar die derzeitige Situation. Sie hatten ihren ersten größeren Kontrakt erfolgreich eingehalten und waren nun mit praller gefüllten Taschen auf dem Rückweg ins Zentrum der Inneren Sphäre. Fracht nach New Avalon zu befördern war zwar nicht gerade ein gut bezahlter Job, doch er war im Normalfall arm an Aufregungen und Problemen und würde dafür sorgen, dass sich das Sprungschiff im Herzen des Vereinigten Commonwealth befand. Nahe an Werften und prall gefüllten Ladestationen, um Ersatzteile, Treibstoff, Munition und andere Dinge zu erwerben und die Besatzung konnte sich vielleicht sogar irgendwo etwas Landurlaub auf einem Planeten gönnen. Zumindest, wenn es weiterhin gut lief. "Mr. Black, sie haben die Brücke" wies Jesar seinen EO an, während er aufstand und dann in Richtung Brückentüre stapfte: "Melden sie mir, wenn die MEANDER angedockt hat und unsere Gäste an Bord kommen!" "Verstanden Sir."

Kapitänskajüte, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des Niquinohorno-Systems
1 Jänner, 3054

Captain Jesar Aran wälzte sich in seiner Koje herum, zumindest soweit es das Sicherheitsnetz zuließ und versuchte, wieder einzuschlafen. Im Gegensatz zu einem gewissen Teil der Mannschaft, der die Neujahrsfeier mit einer genehmigten Menge Alkohol verschönert hatte, lag der Sprungschiffkommandant nicht mehr in tiefen Träumen, sondern war schon wach. Viel zu früh, wie er selbst fand und er wusste aus Erfahrung, wenn er einmal wach war, dann blieb er es auch.
Mürrisch schälte er sich nun aus dem Netz und griff nach dem Overall, den er in die Halteklammer unter dem Bett geklemmt hatte. Nachdem er ihn übergestreift hatte, zog er noch die Magnetstiefel an und verließ dann sein Quartier.

Brücke, VIXEN

Auf der Brücke herrschte die übliche Stimmung für ein Sprungschiff, dass gerade seinen Kearny-Fuchida-Antrieb auflud. Die wenigen wachhabenden Crewmitglieder saßen mit routinierter Wachsamkeit an ihren Stationen und behielten sowohl die Umgebung, als auch das Schiff und sein Solarsegel im Auge.
Jesar nickte der Wachhabenden zu und forderte sie mit einer Handbewegung auf, im Kommandosessel sitzen zu bleiben, während er zur Navigationsstation schwebte. Dort angekommen setzte er die Magnetsohlen seiner Stiefel wieder auf das Deck und rief dann eine Sternenkarte auf. Noch knapp zwei Monate, bis sie New Avalon erreichen würden. Vielleicht weniger, aber dazu mussten sie passenden Abkürzungen finden. Eigentlich mehr um seine Langeweile zu verdrängen, als wirklich danach Ausschau zu halten, rief der Captain einige alte Sprungrouten auf, die teilweise noch aus der Zeit des Sternenbundes stammten. Die meisten lagen ziemlich dicht bei der von seinem Chefnavigator geplanten Strecke, doch eine wich deutlich davon ab.
Neugierig geworden, ließ sich Jesar die Strecke vom diensthabenden Navigator detailliert darstellen und legte seine rechte Hand ans Kinn. Während er sich diesen Weg erneut durch den Kopf gehen ließ, strich er über den Bart, den er sich hatte wachsen lassen. Zumindest sollte es ein Bart werden, doch das Ergebnis entsprach eher einem Mittelding aus einem Zweitage- und einem Vollbart. Vermutlich würde er ihn sich abrasieren und einen neuen Versuch starten. Unterdessen war ihm jedoch eine ganz andere Idee gekommen. Diese neue, alte Strecke war im Grunde genommen großteils unnötig, da die meisten Sterne eine gleiche oder sogar längere Ladedauer verursachte, wie die Sonnen, an denen die VIXEN bei ihrem derzeitigen Kurs stoppte. Doch zwei Systeme stachen mit sehr geringen Ladezeiten hervor, mit sehr geringen sogar.
Plötzlich aktiver geworden schritt der Captain zu der Wachhabenden hinüber: "Lassen sie einen Kurs über die Systeme 12a und Minos-Corva berechnen, wenn´s sein muss holen sie Stiles aus seiner Koje!" "Aye Sir" bestätigte die Frau nickte dann dem Mann an der Navigationsstation zu, der den Befehl sofort in die Tat umsetzte: "Und sollen wir den Kurs bereits angleichen?" "Nein, noch nicht" erwiderte Aran, während er lächelnd erneut über sein Kinn strich: "Wir warten erst einmal ab, bis alle wieder munter geworden sind. Und dann fragen wir bei der MEANDER nach, schließlich wollen wir ja nicht, dass deren wertvolle Fracht verloren geht."

Konferenzraum, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des Nunivak-Systems
27 Jänner, 3054

"Also meine Damen und Herren, was halten sie davon?" nach dieser Aufforderung blickte sich Jesar um und lehnte sich dann zurück, um die Meinung seiner Offiziere zu hören. Auf dem Bildschirm war die Route über die Systeme 12a und Minos Corva zu sehen und der Kommandant hatte seinen Leuten den Vorschlag unterbreitet, über diese abzukürzen. Im großen und ganzen würde es ihnen zwei Wochen bringen und ihre Reise bis nach New Avalon daher um die Hälfte verkürzen. Der ebenfalls anwesende Captain des Landungsschiffes erhob nun als erster seine Stimme: "Wenn sie es für sicher halten Captain Aran, bin ich einverstanden. Zwei Wochen sind zwei Wochen und je eher wir ankommen, desto eher werden wir bezahlt." "Und schneller auf der Zentralwelt eintreffen" fügte Cella hinzu, während sie mit einem gewissen gierigen Funkeln auf die Sternenkarte blickte. "Aye, schneller, aber auch sicherer?" wollte der EO nun wissen und wandte sich an den Chefnavigator: "Mr. Stiles, was sagen sie dazu?" "Die Daten sind alt, verdammt alt sogar" erklärte der Angesprochene, während er einige Berechnungen auf seinem Compblock durchführte: "Aber soweit ich erkennen kann, sind sie immer noch gültig und sicher. Falls sich keine gravierenden, stellaren Verschiebungen ereignet haben, sehe ich absolut keine Probleme." "Dann stimme ich dem Plan ebenfalls zu" entschied Black und wenig später gaben auch die anderen Anwesenden, die sich bis jetzt ruhig verhalten hatten, ihre Zustimmung.
"Nun, dann ist es beschlossene Sache" stellte Jesar zufrieden lächelnd fest: "Holen wir unser Segel ein und bereiten den Sprung vor! Und dann wollen wir mal sehen, was uns an unserem Ziel erwartet."



Teil 5: Kanonendonner im Sternenmeer

Gravdeck, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des 12a Systems
7 Februar, 3054

Der kleine, mit Matten ausgelegte Bereich des Trainingsraumes war erfüllt von Schweißgeruch und dem leichten Keuchen der beiden Männer, die sich hier gegenüber standen. Fitnesstraining zählte zu den zwingend notwendigen Dingen, die jeder Raumfahrer über sich ergehen lassen musste, wenn er längere Zeit oder vielleicht sogar auf Dauer im Weltraum bleiben wollte. Vor allem, wenn man zur Besatzung eines Sprungschiffes gehörte, dem neben einem Gravdeck keine Möglichkeit zur Verfügung stand, künstliche Schwerkraft zu erzeugen.

Captain Jesar Aran duckte sich unter dem Schlag und konterte mit einer linken Geraden, die sein Sparringspartner jedoch mit Leichtigkeit abblockte. Der Kommandant des Sprungschiffes hatte es sich angewöhnt zu seinem normalen Training mindestens einmal pro Woche etwas Kampftraining anzuschließen. Einerseits um seinen Körper zu trainieren und andererseits weil es eine Fähigkeit war, die er auf der Raumschule des VerCom gelernt hatte und die er noch behalten wollte. Schließlich konnte man nie wissen, wann man nur mehr seinen Körper besaß, um sich zu verteidigen.
Das Training half zudem sehr gut, die Zeit zu überbrücken, die der KF-Antrieb brauchte, um sich wieder aufzuladen. Auch wenn diesmal die Zeitspanne dafür stark reduziert worden war. Ein Umstand, dem sie der nahen und sehr intensiven Sonne des Systems 12a zu verdanken hatten. Das System bestand aus wenig mehr als dieser Sonne und einem Planeten, der sie in so geringer Entfernung umkreiste, dass auf seiner Oberfläche Temperaturen von mindestens 100°C herrschten, wodurch er weder vom ursprünglichen Forschungsteam des Sternenbundes, noch von der Besatzung der VIXEN oder ihren Passagieren als sonderlich einladender Ort angesehen wurde. Doch das musste er auch nicht sein, es reichte Jesar schon, dass er seinem Schiff einen raschen Weiterflug ermöglichen würde. So rasch sogar, dass sie den Sprung in das nächste System in knapp einem Tag antreten würden können.

Brücke, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des Minos-Corva Systems
8 Februar, 3054

Das Universum riss auf und es wurde ein Loch geschaffen, durch das die energetisierte Materie eines Sprungschiffes reisen konnte, bevor es wieder Wirklichkeit wurde. Just in diesem Moment materialisierte der Invador an dem, relativ kleinen, Raumbereich, den man gemeinhin Sprungpunkt nannte.
Stumm beobachtete eine alte Raumstation das Auftauchen dieses seltenen Gastes und selbst wenn ihre Sensoren nicht schon seit Jahrhunderten nicht mehr aktiv gewesen wären, hätte die plötzliche Energiefreisetzung sie geblendet.

Wenig besser ging es den Anzeigen auf der Brücke der VIXEN. Die erfahrenen Sensortechs erholten sich von dem Sprung und begannen bereits, die Sensoren zu justieren. Auch Patricia Cella war wieder dabei, die Einstellungen ihrer über alles geliebten Waffen zu überprüfen und wandte sich dann an den Kommandanten: "Armierung bereit und Zielerfassung steht in ungefähr 30 Sekunden wieder zur Verfügung." "Danke Pat" erwiderte Jesar und wandte sich dann an den Tech, der die Oberkontrolle über die restlichen Sensoren hatte: "Zustand?" "15 Sekunden Captain, dann kann ich ihnen wieder ein Bild geben" kam die Meldung und dann vertiefte sich der Mann wieder in seine Arbeit.
Es dauerte nur 13 Sekunden, dann erwachte der Hauptsichtschirm wieder zum Leben und Aran blieb gerade genug Zeit, überrascht auf das Objekt zu blicken, dass sich dort zeigte, als auch schon die Meldung des Techs kam. "Ich erfasse ein Objekt vor uns. Sieht nach einer Raumstation der Olympus-Klasse aus, aber schon sehr alt." "Den Einschlägen nach sehr alt und schon lange nicht mehr gewartet" fügte Black hinzu und Aran musste seinem EO zustimmen. Die Hülle der Station, die perfekt zu erkennen war, nachdem die Vergrößerung des Sichtschirmes eingeschalten wurde, zeigte deutliche Abnutzungsspuren. Spuren, wie sie zwar für ein Raumschiff oder in diesem Fall eine Raumstation nicht ungewöhnlich waren, aber die beeindruckensten der Schäden hätte selbst eine heruntergekommene Station in kürzester Zeit beheben könne und auch müssen. Andernfalls wäre die operationale Sicherheit gefährdet gewesen.
"Ruder, bringen sie uns vom Sprungpunkt weg, wenn möglich in die Nähe der Station!" befahl Jesar, während er sich abschnallte: "Aber nicht zu nahe, wir wollen kein Risiko eingehen." "Verstanden Sir" meldete der Steuermann und machte sich an die Arbeit. Der gewaltige Fusionsantrieb der VIXEN feuerte pures Plasma und dann bewegte sich das Sprungschiff so schnell, wie es für eine 152.000 Tonnen wiegende Spindel möglich war. "Das Ding ist zwar alt, ich orte aber trotzdem eine aktive Zielerfassung" meldete Pat in dem Moment, in dem sich Jesar vom Deck abstieß und hinüber zu den Sensorkontrollen schwebte. "Identifizierung?" wollte der Captain wissen, als er elegant wieder auf dem Deck aufsetzte und sich dann zur Waffenleitkonsole umwandte: "Ist es die Station?" "Negativ Sir" das war nicht die Waffenoffizierin, sondern einer der Sensortechs: "Ich habe den Ursprung lokalisiert. Es handelt sich um ein Landungsschiff der Buccaneer-Klasse. Und es kommt direkt auf uns zu." "Gefechtsstationen besetzen!" befahl Aran, während er sich an der Rückenlehne des Techs festhielt. Im nächsten Moment gellten die Alarmglocken und dann war auf den Sensoren etwas zu erkennen, was den zuständigen Tech überraschte, nicht jedoch die Waffenoffizierin. Patricia war, wie ihr Kommandant, ehemals eine Soldatin des VerCom gewesen und auch wenn es unwahrscheinlich war, konnte sie das, was gerade passiert, doch mit Leichtigkeit identifizieren: "Raketenabschuss, LSR. Keine genaue Erfassung, sie werden uns um gut 50 Meter verfehlen."
Und so war es auch. Der Buccaneer hatte seinen LSR-Werfer abgefeuert und fünf Raketen schossen nun durch das All und flogen unter dem pilzförmigen Kopf der VIXEN vorbei. Ein Warnschuss, der jedoch schlimmes hoffen ließ, zumindest für eine normale Besatzung und ein normales Schiff.
"Ruder, Ausweichmanöver Beta, dreht uns auf ihn zu!" befahl Aran, während er sich zu seiner Waffenoffizierin umwandte: "Pat, können wir ihn angreifen?" "Derzeit nur mit den backbordseitigen Bugwaffen" meldete die Angesprochene, während ihre Finger über die Tasten flogen: "Gaussgeschütz aufgeschaltet und Laser bereit." "Feuer frei!" knirschte der Captain wütend: "Und dann hetzt ihm unsere Jäger auf den Hals!"

Man konnte nicht sagen, wer überraschter war. Die restliche Brückenbesatzung, die einen solchen Vorfall dank ihres Kommandanten zwar geübt, aber nicht wirklich damit gerechnet hätte, oder die Besatzung des Landungsschiffes, das plötzlich von ihrem, als wehrlos eingestuften, Ziel beschossen wurde. Die Wirkung dieses Beschusses war jedoch direkt und umso weniger überraschend. Das Gaussgeschütz an der linken Seite des Buges feuerte eine Nickel-Eisen Kugel, die, sei es aus Glück oder Können oder einer Mischung von beidem, direkt in den Bug und den dort montierten Langstreckenraketenwerfer einschlug. Der Werfer wurde zerquetscht, die Munitionszuführung zerschmettert und zwei der Raketen, die gerade nachgeladen werden sollten, explodierten daraufhin. Als wäre das nicht genug, zogen blutrote Blitze des mittleren Impulslasers eine Spur quer über die linke Bugseite des Buccaneer und schmolzen Panzerung und eine Sensorkuppel weg.
Die Überraschung der vermutlichen Piraten währte nur kurz, aber immerhin lang genug, so dass sie nun von Salven aus den LSR und schweren Lichtwerfern der beiden Luft/Raumjäger der VIXEN eingedeckt wurden.

"Kom, bitten sie unseren Gast, dass er ablegen soll!" befahl Aran, während er sich en Gefechtsverlauf auf dem Hauptsichtschirm ansah. "Halten sie das für klug Sir?" wollte sein EO in diesem Moment wissen: "Immerhin ist ein Mule-Klasse Lander kaum schwerer bewaffnet als dieser Buccaneer und nicht so wendig." "Das muss er auch nicht, ich hoffe die Drohung allein reicht" erwiderte der Captain: "Ruder, gehen sie auf vollen Schub, wir müssen schneller herum! Armierung, Feuer frei für die Laser und wenn die Erfassung stimmt, auch für die Gaussgeschütze!"

Der Buccaneer hatte sich inzwischen den vermeintlich dringenderen, weil wesentlich wendigeren, Gegnern zugewandt und versuchte, die beiden Zeros abzuschießen. Der Umstand, dass beide Piloten alte Veteranen waren, und ihm die mittelschweren Lichtwerfer des Sprungschiffes zeitgleich die Panzerung vom Bauch massierten, machte es nicht leichter. Im Gegenteil schien den vermeintlichen Piraten die Aufgabe über den Kopf zu wachsen und sie drehten ab. Dummerweise nach einer alten Regel genau vor dem Bug des Sprungschiffes vorbei, weil man damit den Gegner behinderte und ihm zur Not noch eines verpassen konnte. Es stimmte, die L/R-Jäger mussten einen Umweg fliegen und die mittleren Laser des Buccaneer zogen tiefe Schneisen in die Bugpanzerung der VIXEN, auch wenn sie diese nicht durchdrangen. Dummerweise erwiderte das Sprungschiff das Feuer nun mit allem, was ihm zur Verfügung stand. Vier mittlere Impulslaser kochten einen vergleichbaren Panzerungsanteil von der Flanke des Gegners und um noch eines drauf zu setzen, feuerten beide Gaussgeschütze ihre Mördergeschosse hinterher. Eines schlug eine Delle in den rechten Flügel, während das Zweite das Leitwerk am Heck verdrehte. Zwar wurde es im All nicht wirklich benötigt, aber der Schaden beider Geschosse war auch mehr psychologischer Natur. Als sich nun auch noch das Landungsschiff, dass bisher an der VIXEN angedockt war, löste, entschieden die Piraten, den Angriff sowie die Flucht einzustellen.

"Sir, wir empfangen ein Signal von dem Buccaneer" meldete die KomTech in dem Moment, als sich Jesar gerade wieder in seinen Sessel sinken ließ. "Stellen sie durch!" befahl er nun, während er sich anschnallte. Im nächsten Moment erklang aus den Lautsprechern eine eindeutig wütende Stimme, die von starkem Hintergrundrauschen und Geräuschen, wie sie für Gefechtsschäden üblich waren, überlagert wurde: "Hier spricht Brown, Captain der REVENGE. Ihr verfluchten Regierungstruppen habt gute Arbeit geleistet und uns eine erstklassige Falle gestellt. Wir ergeben uns." Jesar blickte überrascht zu seinem EO und als dieser nur die Schultern zuckte, drückte er einen Knopf auf seiner Armlehne: "Hier spricht Captain Jesar Aran, von der VIXEN. Wir nehmen ihre Kapitulation an. Deaktivieren sie ihre Waffen und alle nicht notwendigen Sensoren und dann lassen sie sich von unseren Jägern zu unserem Sammelpunkt geleiten. Sollten sie einem unserer Befehle nicht folgen oder zu fliehen versuchen, werden wir sie vernichten."
"Na das ist doch mal eine Erwähnung für die Lektionen der Raumschule wert" kommentierte Patricia, als er die Verbindung unterbrach und als der Captain und der EO sie fragend anblickte, fuhr sie grinsend fort: "Ein Sprungschiff, dass einen Piraten fängt. So was gehört doch in die Ahnenreihe militärischer Siege."

Besprechungsraum, VIXEN
Am Zenitsprungpunkt des Minos-Corva Systems
10 Februar, 3054

"Die Jungs sind nicht mal gesucht, aber ich denke es wird uns trotzdem nicht schaden, sie auf New Avalon abzugeben" meldete sich Frank Black zu Wort: "Dank unserer Passagiere können wir sogar diesen Buccaneer mitnehmen." "Dafür bekommen sie ja auch ein Drittel seines Wertes als Belohnung" brummte Pat murrend: "Das kostet uns eine Menge Geld." "Ja, aber dank ihrer Hilfe war es uns erst möglich, es zu bergen" stellte Jesar fest: "Also gut. Lassen wir mal unsere lieben Piraten außen vor. Mr.Black, was hat ihre Untersuchung der Station ergeben?" "Sie hat nur noch Schrottwert Sir" meldete der Erste, nach einem kurzen Blick auf seinen Compblock: "Aber wir konnten einen Teil der Datenbank anzapfen und uns einige Informationen holen. Es wird einige Zeit dauern sie zu dechiffrieren, aber sobald wir es geschafft haben, stehen uns vielleicht ein paar Sternenbundwunder zur Verfügung." "Und selbst wenn nicht," übernahm die Waffenoffizierin und klang nun schon wesentlich fröhlicher, als bei der Erwähnung des verlorenen Geldes: "konnten wir noch ein paar andere Dinge bergen. Vier schwere Langstreckenwerfer, ebenso viele Kurzstreckenwerfer und schwere und mittelschwere Laser. Und wir konnten sogar vier voll funktionsfähige Autokanonen Typ 5 bergen und zwar mit genügend Munition." "Genügend wofür?" wollte der Captain wissen und blickte sie fragend an. "Genügend um sie einzubauen und zu benutzen Sir" erwiderte Cella mit einem zögernden Lächeln: "Sir, die Gaussgeschütze sind eine Wucht und ich würde sie nicht gerne Eintauschen. Aber wenn, dann gegen ein paar gute Autokanonen. Ich kenne die Wirkung der Magnetkanonen, vor allem die psychologische. Aber mal ehrlich Sir, gegen die Flakwirkung einer Autokanone ist das nichts. Und auch wenn die Dinger Munition verbrennen, wie unser Antrieb Treibstoff, ist das nur ein kleines Opfer für ihre Feuergeschwindigkeit." "Pat ich habe es ihnen schon mal gesagt, wir müssen erst einmal schauen, was wir loswerden können und wo wir Geld sparen" erwiderte Aran und schenkte ihr dann ein Lächeln: "Aber ich werde es mir überlegen, versprochen. Denn auch ich weis die Wirkung einer passenden Flugabwehr zu schätzen. Doch bis dahin, haben wir dringendere Probleme. Wir müssen unsere Reise nach New Avalon fortsetzen und dann schauen wir mal, was wir machen können."



Fortsetzung folgt....


Älterer Artikel von mechforce.de. Nicht mehr online.




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Erstversion vom 05.04.2023. Letzte Aktualisierung am 05.04.2023.


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