Landezone Eins, Schattengebirge, Mistral
Vereinigtes Commonwealth
15 Juni, 3063
Captain Thomas Reilly stand auf dem Flügelansatz seines F-700A Schnitter und blickte den beiden Mechs nach, die soeben das Lager verließen.
Vielleicht hätte er selbst auch einen guten Mechkrieger abgegeben. Doch es gab zwei gute Gründe für ihn, es nicht einmal zu versuchen. Erstens liebte er das fliegen zu sehr und wollte daher schon immer Luft/Raumjäger-Pilot werden. Und zweitens, was ein wesentlich greifbarerer, weil physischer Grund war, vertrug er keine Hitze. Irgendwas in seinem Körper stimmte nicht und ihm wurde bei den Temperaturen, die ein Mech schon im Normalzustand eines Gefechtes erreicht, schwarz vor Augen. Da Luft/Raumjäger durch ihre Geschwindigkeiten oder ihr Einsatzgebiet einfach viel kühler waren, stellte dies eine annehmbare Alternative dar.
Gerade als er sich seufzend abwandte, um mit seinem Tech über die Ladung seines L/R-Jägers zu sprechen, kam ein junger Unteroffizier heran: "Captain Reilly. Entschuldigen sie die Störung Sir, aber der Colonel will sie im Kommandostand sehen."
"Captain Reilly meldet sich wie befohlen" erklärte Thomas laut, als er das Zelt betrat und salutierte. Die Anwesenden Stabsoffiziere unter Colonel McArthur blickten auf und schließlich trat der Colonel persönlich heran und salutierte ebenfalls.
"Ich fürchte Captain, ich habe für ihre Staffel eine besondere Aufgabe" stellte McArthur mit ernster Mine fest und dann bedeutete er dem Piloten, zum Kartentisch zu treten: "Katrina`s Kommandant, dieser Lieutenant General Stark wird uns langsam aber sicher zum wirklichen Ärgernis. Wie sie wissen dachten wir, wir könnten Mistral in einem schnellen Zug überrennen, aber der General hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht." "Meine Staffel fliegt immer wieder Angriffe, sowohl gegen seine Luft/Raumjäger als auch gegen die Mechs" erwiderte Thomas leicht verwirrt: "Ich weis nicht genau, was sie noch von mir erwarten Sir?"
"Ich nehme an, sie kennen die Taktik namens Kopfjagd?" fragte eine Majorin und entrollte eine Karte, auf der ein bestimmtes Gebiet farblich markiert war. Als der Pilot nickte, fuhr sie fort: „Wir wollen, dass sie etwas ähnliches machen. Wir haben die Stellung eingegrenzt, auf die sich der Befehlsposten des Generals befindet. Und wohin er sich nach jeder Schlacht zurück zieht. Wir wollen nun, dass ihre Staffel sich während des eigentlichen Kampfes zurück hält und erst am Ende eingreift. Tun sie so, als würden sie die feindlichen Jäger verfolgen und dann, schwenken sie ab und greifen sie sich den General."
"Ich soll den Befehlsstand angreifen?" fragte Thomas überrascht wissen. "Nein, sie sollen den Lieutenant General angreifen" verbesserte ihn McArthur: "Ihre Jäger werden mit Infernoraketen bestückt. Bei ihrer schweren Staffel sollte es ihnen gelingen, sie schon beim ersten Anflug von der Oberfläche dieser Welt zu fegen. Und damit brechen wir dem Rest des Heeres das Genick."
Thomas zog seinen Schnitter mit den Pedalen etwas nach links und visierte dann den vor ihm fliegenden KL-15 Killer an. Mit der geübten Präzision des erfahrenen Piloten zog er das Fadenkreuz über dessen Heck und feuerte dann die beiden Autokanonen ab. Zwei Granatbahnen zogen ihre Spur über den feindlichen Luft/Raumjäger und während eine lediglich Panzerung vom linken Flügel scheuerte, zerfetzte die andere den Hecklaser. Ungerührt, aber mit einem Auge auf dem Munitionsverbrauch, zog Reilly das Feuer am Rumpf entlang und sah befriedigt zu, wie sich die Salven der Autokanonen am Cockpitansatz vereinten und dann das Kanzeldach zerfetzten. Der Pilot schwer verletzt oder tot, kippte der Killer über den Steuerbordflügel ab und trudelte unkontrollierbar in die Tiefe.
"Okay Leute, wir sind nahe genug" stellte der Captain nach einem raschen Blick auf einen seiner Multifunktionsbildschirme fest: "Lanze Eins und Lanze Zwei, wir schwenken auf Kurs 150 ab und holen uns den General. Lanze Drei, ihr balgt euch weiter mit den bösen Jungs." Drei kurze Bestätigungen später, drückte Thomas den Steuerknüppel nach rechts und zog den überschweren Schnitter in eine relativ sanfte Kehre nach Steuerbord.
Es dauerte nicht lange und auf den Sensoren erschien ihr Ziel. Drei Mechs. Lieutenant General Stark, sein Stellvertreter und, zumindest wenn man der Infanterie glauben schenken durfte, sein Bodyguard. Thomas warf einen kurzen Blick auf die Sichtprojektion und dann zu seinen Kameraden. Sein Flügelmann, der ebenfalls einen Schnitter flog, und Lanze Zwei, bestehend aus zwei STU-K5 Stuka, hatte sich in perfekter Formation neben ihm eingereiht. Der Captain wusste, dass die KSR-Werfer aller Jäger mit Infernoraketen bestückt waren und das sie damit ein wahres Höllenfeuer entfachen konnten. Ein Feuer, dass dein Befehlshaber der Katrina-treuen Einheit verzehren würde. Zumindest sah so der Plan aus.
"Gray, bleib an meinem Flügel, wir machen den ersten Anflug!" befahl Reilly nun: "Hawk, Stinger, ihr seit dann die nächsten. Okay und los." Damit drückte er den Steuerknüppel nach vorne und zwang seinen Jäger in einen Sturzflug. Der schwere Schnitter reagierte überraschend gut darauf und sank langsam durch die Wolken, knapp gefolgt von seinem Zwilling, dem Jäger von Thomas Flügelmann.
Die Turbolenzen des Abstieges ließen den Knüppel ein wenig ruckeln, doch der Pilot hielt ihn mit eingeübter Leichtigkeit fest. Auch als sich die ersten Laserstrahlen durch den Himmel bohrten und Panzerung von den Flügeln und dem Rumpf schälten. "Die scheinen uns zu erwarten" meldete sich Lieutenant James "Gray" Hogan: "Ich orte einen Lichtbringer, einen Donnerfalken und einen Panther. Ich nehme mal an unser Ziel sitzt im Falken oder Boss?" "Das spielt kaum eine Rolle" erwiderte Thomas nach einem kurzen Blick auf die Statusanzeige seiner KSR-Werfer: "Wir überschütten sie alle und falls was übrig bleibt, kann man diese Frage später noch klären."
Damit visierte der Captain den mittleren der drei Mechs an und sein Daumen legte sich auf den Feuerknopf. Noch einen Moment. Er zuckte nicht zusammen, als ein schwerer Extremreichweitenlaser die Panzerung neben dem Cockpit malträtierte und auch nicht, als eine Gauskugel, wohl mehr durch Zufall als durch wirklich präzises Zielen, in den rechten Flügel des Schnitter einschlug und die Panzerung aufsprengte. Kurz wurde der Jäger dadurch aus dem Kurs geworfen, doch Thomas war erfahren genug, diesen Fehler mit einer leichten Korrektur durch Pedale und Knüppel zu korrigieren. Dann feuerte er und sein Flügelmann tat es ihm gleich. Acht Werfer pro Jäger entließen insgesamt einen Schwarm von achtundvierzig Infernoraketen. Etwas über die Hälfte davon verfehlte ihr eigentliches Ziel, doch verwandelten diese die Umgebung zwischen und um die Mechs in ein Flammenmeer. Die restlichen überschütteten die mächtigen Kampfkolosse mit dem Brandgel und verwandelten sie in mechanische Fackeln. Kurz bevor er hochziehen musste, löste Reilly als Dreingabe seine beiden Autokanonen aus und zog mit den Granaten eine kurze Spur der Verwüstung über den oberen Torso des Lichtbringer. Dann riss er den Steuerknüppel zurück und machte sich daran, Höhe zu gewinnen. Eine Salve aus einem Impulslaser zog eine Spur von Einschlägen über die Unterseite des linken Flügels, doch diesen Treffer registrierte der Pilot nicht wirklich. Seine Aufmerksamkeit war auf die Sensoren gerichtete, wo er nun sah, wie Lanze Zwei ihren Angriff einleitete. Die beiden Stukas setzten ihr Zerstörungswerk fort und Thomas hatte keinen Zweifel daran, dass ihre schweren Laser die stark überhitzen Mechs noch weiter geißeln würden und sie vermutlich zur Aufgabe zwingen. Oder sogar zerstören.
Reilly hatte nichts gegen Mechkrieger, solange sie auf seiner Seite kämpften. Für alle anderen empfand er nur ein gewisses Maß an Verachtung. Und vielleicht hin und wieder Mitleid, wenn er sich vorstellte, wie die stolzen Mechs unter dem Angriff seiner Jäger zusammenbrachen. Luft/Raumjäger bildeten einen ernst zu nehmenden Faktor in der modernen Kriegsführung, auch wenn das manche Leute gerne vergaßen. Dann war es wieder Zeit, sie daran zu erinnern, so wie jetzt.
Flammendes Inferno
05.04.2023
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