Exkursion:
Nagelring
Nagelring, Tharkad
Mark Donegal, Vereinigtes Commonwealth
26.7.3054
Sie stiegen
alle todmüde aus der Schwebebahn und standen nichtsahnend vor dem
riesigen Hauptkomplex des Nagelrings. Die Fahrt hatte volle vier Stunden
gedauert und Pedro war sich ziemlich sicher, dass er einen solchen Trip
nie wieder direkt in der Prüfungszeit machen würde. Andererseits
- den Nagelring sollte man schon irgendwann einmal gesehen haben... Ob
das rechtfertigte, Samstag morgens um halb vier aufzustehen, war allerdings
die Frage. Einige Verrückte wie John oder July hatten durchgemacht.
Bis zur Abfahrt gelernt, dann in der Bahn etwas geschlafen, wach geworden,
sich einige Liter Koffein hineingekippt und bis zur Ankunft am Nagelring
hier und jetzt weitergelernt.
Jedenfalls waren sie nun hier. Bis jetzt hatte Pedro auch nicht gewusst,
dass der Nagelring einen eigenen Bahnanschluss hatte.
Direkt vor ihnen standen zwei Personen, Wellerbein und eine Ausbilderin
in seinem Alter.
Pedro sah sich um... Da waren Exerzierplätze, Dutzende von Gebäuden,
Übungsgelände... Drei Infanteriezüge marschierten im Gleichschritt
vorbei, außerdem standen einige Truppentransporter und Schweber
hier. Dann noch eine Menge Züge mit ihrer Fracht - und da war ein
Zeus, vielleicht zwanzig Meter direkt vor ihnen, der stumm in der Morgensonne
stand und in den Farben des VerComs lackiert war... Pedro sah kurz zu
Sergej, der schweigend zu dem Stahlkoloss hinaufstarrte. Es dauerte einige
Momente, dann beruhigten sich die zweihundert Studenten und die Ausbilderin
neben Wellerbein trat einen Schritt vor und hob ihre Stimme:
"Ich darf sie alle hier auf dem Gelände des Nagelrings begrüßen!"
sie setzte kurz ab. Die Frau sprach laut genug, um auch von den hintersten
Reihen gehört zu werden... Dann redete sie weiter: "Ich bin
Kommandantin Sandra Karlinger und bin hier eine der vielen Ausbilderinnen
in den Bereichen ´Taktik´ und ´MechKampf´. Außerdem sitze
ich im Leitungsausschuss des Nagelrings... Arnulf..." sie deutete
auf Wellerbein, "Arnulf und ich haben früher zusammen gedient
und ich wäre ohne seine vorbildlichen Fähigkeiten als Kommandeur
von Fronteinheiten niemals so weit gekommen... Ich hoffe, sie alle ahnen
zumindest, was für ein erstklassiger Offizier Ihr Dozent ist..."
Pedro wechselte einen Blick mit Sam, die ihn erstaunt ansah. Sergej sah
immer noch gebannt auf den Zeus. Dann redete Karlinger weiter: "Ich
nehme an, dass Ihnen Arnulf schon etwas von mir erzählt hat... Glauben
Sie ihm bitte nicht!"
Ein Witz, bei dem man wohl lachen sollte und die Gäste der Uni Tharkad
hielten sich netterweise an die Regeln der Höflichkeit und quittierten
diesen wohl eingeübten Scherz mit einem freundlichen und amüsierten
Gelächter.
Das Gelächter flaute ab und Karlinger fuhr fort: "Aber nun genug
davon... Ich denke, wir sollten uns jetzt auf den Weg zu unserer ersten
Station machen, in den Vortragssaal des Hauptkomplexes!"
Sie gaben
sich Mühe, nicht in den Gleichschritt zu fallen, aber allein durch
die pure Atmosphäre dieser Anlage wurden so viele Illusionen und
Märchen vom guten Soldaten in ihnen geweckt, dass die Studentengruppe
bald all die Bilder von unschuldigen Toten verlor und begann, zu marschieren...
Zumindest versuchte sie es.
Der Vortragssaal des Hauptkomplexes konnte etwa fünfhundert Zuhörer
aufnehmen. Jedem Zuhörer stand ein eigener, durchaus geräumiger,
Tisch zur Verfügung mit Schreibunterlagen und Stühlen, auf denen
man ziemlich bequem sitzen konnte. Pedro hatte sich das beim Militär
irgendwie anders vorgestellt... Vorne, neben dem Podium, standen etliche
Standarten und Fahnen, fein säuberlich aufgereiht.
Als sie sich gesetzt hatten und Kommandantin Karlinger auch ihren Platz
eingenommen hatte, begann sie: "Meine Damen und Herren, ich möchte
Ihnen nun einen theoretischen Einblick in die Thematik der effektiven
Waffenreichweiten verschaffen. Nach diesem kleinen Vortrag wollen wir
das dann an der Praxis erproben, etwas das Ihnen als Universitätsstudenten
ziemlich fremd sein dürfte... Seien Sie gespannt... So grau und langweilig
dieser theoretische Abriss wird, so spannend wird die Praxis... Aber nun
genug davon..."
Dieser ´theoretische
Abriss´ war wirklich theoretisch - und extrem langweilig. Karlinger schien
jede verdammte Waffe behandeln zu wollen, die jemals in einen Mech eingebaut
worden war und stopfte all dies noch mit Dutzenden von Details. Es dauerte
volle zwei Stunden und wer nicht gerade Steno beherrschte, war in diesem
Wirrwarr von Meterzahlen, Winkeln und Austrittsgeschwindigkeiten hoffnungslos
verloren. Pedro schrieb pflichtbewusst mit und musste auch gestehen, dass
die Kommandantin in vielen Dingen ziemlich vernünftige Dinge sagte,
wenn auch Dinge, die von den theoretischen Militärwissenschaften
nur belächelt werden würden. Aber da hatten sowohl Wellerbein
als auch Karlinger recht: All die hochgehobenen Strategien der Feldherrn,
Schachbrettstrategen und Theoretiker würden versagen, wenn die Mechs
die Einzelkämpfe und den Dogfight nicht gewannen. Und dazu war nun
einmal ein Wissen über die Reichweiten der jeweiligen Waffen notwendig...
Diese zwei Stunden gingen zwar langsam und zäh vorbei, aber sie gingen
vorbei... Als es schließlich so weit war, führte die Kommandantin
die Studentengruppe an den Exerzierplätzen vorbei in die Offiziersmesse...
Mittagessen... Sofern der alte Spruch noch galt, dass die Armee nur dann
gut war, wenn das Essen schlecht war, musste davon ausgegangen werden,
dass die VCS nur aus Flaschen bestand... Dieses Mittagessen war absolut
erstklassig. Andererseits war das hier die Offiziersmesse und nicht die
Feldküche. Vielleicht wollte man auch den Gästen etwas gutes
tun, Pedro konnte es nicht genau sagen. Aber genau betrachtet spielte
das auch keine Rolle...
Nach einer Stunde ging es weiter, wieder vorbei an den Exerzierplätzen,
hinüber zu den Simulatoren, wo nach einer kurzen Einweisung drei
der Studenten die Chance bekamen, ein vereinfachtes Simulatorgefecht zu
spielen...
Dann weiter...
In die MechHangars.
In diesem
Moment befanden sich eine komplette Kompanien wartend in den Buchten.
Still, tödlich und angsteinflößend. Die zweite Kompanie
war gerade draußen, auf Tour...Die meisten der Mechs hier waren
Chamäleons. Allerdings gab es auch zwei Valkyrien, einen Wolfshund,
einen Feuerfalken und einen Marodeur... Unnötig zu sagen, auf welchem
Mech Sergejs Blick hafteten...
Karlinger räusperte sich: "Und hier stehen sie also, die Könige
des Schlachtfeldes. Natürlich sind diese Mechs auch die unumstrittenen
Höhepunkte unserer Führungen. Befinden sich unter Ihnen Personen
mit etwas Erfahrung? Dann können wir, wenn Interesse besteht, einen
kleine realen Kampf ausführen... Alle Mechs hier tragen natürlich
nur Simulationswaffen... Also, möchte sich jemand in eines dieser
Monster trauen?"
Pedro sah, genauso wie einige andere, zu Sergej, der sich aber nicht rührte,
sondern auf den Marodeur starrte...
"Niemand? Schade. Dann mö..."
Sergejs Augen blitzen plötzlich gefährlich auf und er hob seinen
rechten Arm.
"Ja?" Karlinger sah ihn an.
"Ich würde gerne einen von diesen Mechs führen."
Die Kommandantin sah ihn erst irritiert, dann erfreut an: "Ah ganz
gut..." Sie wandte sich an die Gruppe: "Dann werden Sie jetzt
etwas bekommen, was Sie in der Uni sicher nicht bekommen. Praktischen
Anschauungsunterricht..." Sie wandte sich wieder an Sergej: "Haben
Sie viel Erfahrung mit Mechs?"
"Ja."
"SchauMechs?"
"Unter anderem..." er zögerte... nahm seinen Mut zusammen,
musste Ellens mitfühlenden Blick beinahe spüren... Er wusste,
dass er all dies nicht sagen musste... aber er tat es: "Ich hab´
früher BattleMechs geführt."
Plötzliche Stille.
Sie sahen ihn alle an. Sowohl die, die ihn nicht kannten wie auch die,
die um Sergejs Geheimnis wussten.
Die Ausbilderin war überrascht: "BattleMechs? Wie kamen sie
denn dazu?"
"Ich war bis vor zwei Jahren auf dem Nagelring... Bin durch die Zwischenprüfung
gefallen..."
Sie sah ihn etwas schockiert und erstaunt an: "Ich müsste Sie
dann kennen..."
Sergejs Blick wurde plötzlich härter, verengte sich und er visierte
sie bösartig an: "Ja, sollten Sie. Immerhin waren es Sie, die
mir damals das Genick gebrochen haben, Kommandantin..."
Betretene Stille.
"Ich möchte den Mar5D. Machen Sie ihn bitte fertig..."
Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er davon und wurde
von einem der Wachen begleitet. Pedro schien aber zu ahnen, dass das unnötig
war. Sergej kannte den Weg.
"Nein...
Bitte entschuldigen Sie... Aber Sie dürfen hier nicht rein..."
"Gibt´s ein Problem?" Karlinger drängelte sich mit Wellerbein
durch den Menschenauflauf und sah die beiden Wachen an, die an der Tür
zu den Tribünen des Vorführplatzes standen... Einer der beiden
deutete auf Nihongi, der still und ganz in sich versunken dastand: "Draconier
haben hier keinen Zutritt."
"Also ich fasse es nicht!" Julys Stimme wurde immer schriller
und wütender. Sie hatte ihn seit einigen Augenblicken energisch verteidigt,
aber inzwischen wurde sie wirklich ärgerlich...
"T... Tut mir leid, aber..." murmelte die Wache, die sich offenbar
auch ganz wohl in ihrer Haut war.
Karlinger wandte sich etwas unterkühlt an Nihongi: "Sie sind
ein Draconier?"
"Eh nein... Mein... Ich meine, es wirkt nur so... Also mein Vater
war früher VS... ist Draconier..."
Wellerbein schaltete sich ein: "Wieso haben Sie mir das nicht gesagt?"
"Was sagen???" donnerte July ihren Dozenten an. Der sah sie
verwirrt an, ließ sie aber weiterreden...
"Dass er draconische Verwandte hat?? Nihongi ist lyranischer Staatsbürger!
Der seit seiner Geburt auf Tharkad lebt!"
Wellerbein sah sie undurchdringlich an und nickte dann: "Nun, dann
ist das wohl geklärt..."
July machte Anstalten, durch die Tür zu gehen, aber die Wache hielt
ihn zurück... "Was???" schrie July sie schrill an.
"Entschuldigen Sie, aber ich darf..."
"Wissen Sie, es sollte eigentlich schon genügen, dass ich mich
für ihn einsetze und ihn liebe... Das sollte Ihnen doch zeigen, dass
er vertrauensselig ist..."
Die Wache trat von einem Fuß auf dem anderen. "Ich habe meine
Befehle..."
Nihongi starrte July mit einem liebevollen Lächeln an, sagte jedoch
nichts. Karlinger wandte sich an die Wache: "Etwas übereifrig,
oder?"
Schweigen.
"Lassen Sie den Mann vorbei oder ich sorge dafür, dass Sie diesen
Tag verdammen werden...! Das sind unsere Gäste, Soldat!" Sie
wandte sich mit einem verschmitzten Lächeln zu Nihongi: "Und
wenn
Sie ein draconischer Spion sind... Bitte schön! Schauen Sie sich
ruhig um..."
Ohne ein Wort ging Ni durch die Tür, July hinterher...
Pedro saß
neben Sam auf der großen Haupttribüne, und harrte erwartungsvoll
der Vorstellung. Neben ihm waren July und Ellen gerade wieder dabei, Ni
aufzubauen. Erschien Pedro aber gar nicht so nötig.
Nihongis Züge ruhten noch immer auf July, vielleicht in Erinnerung
an ihre Worte von gerade eben.
Pedro hätte das jedenfalls an Nis Stelle ungeheuren Auftrieb gegeben
und bei dem älteren Studenten schien das genauso zu sein...
Sie hörten Geräusche. Metallfüße, die sich langsam
aber unausweichlich näherten.
Der Marodeur schritt langsam um die Ecke und hielt. Stand am einen Ende
dieser riesigen Übungsarena und wartete. Es fiel Pedro schwer, sich
vorzustellen, dass dort drin Sergej saß und dieses Stahlmonster
führte... Der zweite Mech erreichte am anderen Ende die Arena, ein
Chamäleon...
Karlinger, die zusammen mit Wellerbein über ihnen auf einem Kontrollfläche
saß, gab kurz einige wenige Kommandos in ein Kom und schaltete dann
etwas anderes ein. Die Lautsprecher an der Arena
Nahmen ächzend ihren Betrieb auf und die Stimme der Kommandantin
war zu hören: "Ich darf Sie hier in einer unserer Außenanlagen
begrüßen... Dieser Marodeur, ein Mar5D, wird von ihrem Kommilitonen,
Herrn Sergej Zito geführt. Das Chamäleon, ein CLN-7V, steuert
einer unserer Ausbilder. Ich habe beide angewiesen, dieses Scheingefecht
langsam anzugehen, damit sich Ihr Kommilitone erst einmal wieder etwas
an einen richtigen Mech gewöhnen kann. Die beiden werden uns nun
zuerst einige Kunststücke zeigen, was die Waffenreichweiten betrifft.
Sie werden hier das in der Praxis sehen, was wir heute morgen in der Theorie
besprochen haben. Die Simulatorwaffen der beiden Mechs sind zwar fast
völlig ungefährlich, besitzen aber ansonsten wirklich alle Eigenschaften
der Ursprungswaffen... Also lehnen Sie sich zurück und genießen
Sie die Show..."
Karlingers Stimme verstummte und zwei große Zielscheiben tauchten
auf der entgegengesetzten Seite der Arena aus dem Erdboden auf. Die eine
ziemlich nah und klein, die zweite weiter weg und recht groß. Der
Chamäleon drehte sich zum Ziel, wartete einen Moment und feuerte...
Die Zielscheibe, die näher an den Mechs stand, wurde exakt in der
Mitte getroffen und verdampfte zischend.
Karlinger meldete sich wieder: "Das war gerade eine Waffe, die fast
nie ernst genommen wird. Ein leichter Laser... Man sollte übrigens
dazu sagen, dass diese Zielscheibe nicht aus Holz oder Pappe bestand,
sondern entsprechend zu den Simulatorwaffen einer Ferrofibritpanzerung
entspricht bestand und exakt die Dicke besaß, wie sie viele leichte
Mechs an der Rückenpanzerung haben."
Bestürztes und überraschtes Murmeln der Studenten...
"Natürlich besteht so eine Rückenpanzerung aus vielen Panzerplatten,
die die Wärme des Lasers oder die Aufschlagsgeschwindigkeit des Projektils
zusammen viel besser kontrollieren oder leiten können als eine kleine
Platte. Lassen Sie sich aber dennoch gesagt sein, dass L-Laser gar nicht
so ohne sind...
Aber nun zu einem ganz anderen Kaliber... Die zweite Platte ist ebenfalls
eine simulierte Mechpanzerung und hat die Dicke, wie sie ein Katamaran
der Clans besitzt. Wollen wir uns einmal ansehen, was eine ER-PPK unseres
Marodeurs damit anstellt..."
Sergejs Mech wendete seinen Torso, visierte die Scheibe kurz an... Und
feuerte haarscharf vorbei... Leichtes und stummes Gelächter von der
Tribüne... Karlinger fing wieder ungerührt zu reden an: "Ich
höre da gerade, dass Herr Zito ein zweites Mal schießen wird.
Aber lassen wir seinem Mech zuerst die Chance, abzukühlen... Es ist
übrigens gar nicht so einfach, mit einer PPK auf eine Entfernung
von zweihundert Meter zu treffen. Sogar, wenn das Ziel still steht. Die
Fadenkreuze zittern und fluktieren meistens ziemlich. Wir haben in unseren
ÜbungsMechs außerdem die elektronische Zielhilfe abgeschaltet,
um unseren Rekruten das Treffen zu erschweren und so die Tatsache zu simulieren,
dass MechKämpfe draußen im Feld niemals unter optimalen Bedingungen
ablaufen und es fast immer Schwierigkeiten gibt... So, ich höre,
Herr Zito ist wieder soweit..."
Die zweite ER-PPK aktivierte sich, wie bereits die erste, in einem grellen,
azurblauen Strahl... Diesmal traf Sergej. Die Scheibe ging in einem zischendem,
explosionsartigem Geräusch unter. Wenige Sekunden später war
das Rauch, Zischen und die schrille Helligkeit der Explosion vergangen.
Genauso wie die Scheibe... Nur noch die Halter der Beine standen.
"Die PPK ist eine der gewaltigsten Erfindungen der letzten hundert
Jahre, wenn Sie mich fragen. Dieser Treffen dürfte Ihnen erklären,
wieso. Ein besonderer Kommentar ist da nicht mehr nötig... In früheren
Zeiten hätte ich Ihnen noch gezeigt, was auf eine nahe Distanz bis
etwa sechzig Meter passiert wäre - nämlich nichts! Die alten
PPK-Versionen konnten nur auf mittlere und weite Distanzen eingesetzt
werden. Bei der ER-PPK hat man dieses Problem dann beseitigt...
Nun zu Situationen, in denen die Entfernung nicht optimal gewählt
ist..."
Praktisch im selben Moment, in dem Karlinger endete, erschien eine weitere
kleine Scheibe, nur dieses Mal erheblich weiter weg, vor dem Chamäleon.
Alle drei leichten Laser des Mechs blitzten auf und trafen... Und verursachten
gerade einmal einige Brandspuren... Eine gleiche Zielscheibe tauchte auf,
neben der von gerade und der mittelschwere Laser aktivierte sich... Und
brannte die Scheibe weg.
"L-Laser mögen zwar auf geringe Distanz nicht so schlecht wie
ihr Ruf zu sein, aber auf eine tragbare Gefechtsentfernung, hier neunzig
Meter, sind sie nutzlos. Anders wirken hier schon M-Laser. Abgesehen davon,
dass diese Waffen schlichtweg stärker sind, haben sie auch eine höhere
Reichweite...
Gut, aber nun genug von der Theorie. Ich denke, wir sollten Ihnen, wenn
wir schon einmal zwei Mechs da draußen haben, auch einmal zeigen,
wie so was mit bewegten Zielen aussieht... Die beiden
Mechs werden jetzt ein Scheingefecht gegeneinander führen. Die Bordcomputer
der beiden Mechs werden die leichten Schäden, die diese Spielzeugwaffen
verursachen, in realen Schaden umrechnen.
Hin und wieder werde ich etwas kommentieren... Also gut soweit, fangen
wir an..."
Wie auf Kommando begannen die beiden Mechs sich zu bewegen. Der Marodeur
etwas behäbiger als das Chamäleon, was auch nicht verwunderlich
war, da das CLN-7N schneller war. Der 75-Tonner hatte sich kaum bewegt,
als ein leises Surren erklang und dann plötzlich zwei Strahlen, ein
azurblauer und ein hellroter, die Luft durchschnitten und den mittelschweren
Mech punktgenau trafen.
"Offenbar hat ihr Kommilitone vorher nur geflunkert, als er die Zielscheibe
verfehlte... Diese beiden Schüsse haben ihr Ziel voll erwischt. So
etwas ist nur durch Können möglich. Vermutlich wollte er seinen
Gegner über seine wahren Qualitäten als Schütze im Unklaren
lassen - eine Taktik, die immer wieder erfolgreich ist." Ertönte
Karlingers Stimme.
Das Chamäleon taumelte zurück und Sergej beschleunigte, stürmte
vor. Pedro zweifelte nicht daran, dass ein zweiter solcher Treffer all
dies ganz schnell beenden würde. Aber dazu kam es nicht. Noch während
der Marodeur sich abkühlte und vorpreschte, sprintete das Chamäleon
nun ebenfalls vor. Als die beiden Mechs keine hundert Meter voneinander
entfernt waren und der Marodeur wieder schussbereit zu sein schien, betätigte
der Pilot des leichteren Mechs seine Sprungdüsen... Und landete im
Rücken von Sergej. Der versuchte, seine Maschine zu drehen, aber
der andere hatte diese Bewegung offenbar vorausgesehen und machte sie
mit.
Eine komplette Salve ergoss sich Sekundenbruchteile später in den
Rücken des Marodeurs... Zwei mittelschwere Laser und drei leichte
Laser trafen exakt, beendeten aber damit das Kapitel des 75-Tonners...
Der Mech Sergejs schaltete sich ab. Was auch gut für das Chamäleon
war. Der 50-Tonner war durch diese Salve dermaßen überhitzt,
dass er wohl für etliche Momente wehrlos gewesen wäre.
Aber das war nun alles nur noch ´Wenn und Aber´... Sergej war geschlagen.
Wieder ertönte Karlingers Stimme: "Was Sie gerade gesehen haben,
war eine perfekte Vorführung dessen, was wir heute den ganzen Tag
über besprochen hatten. Übrigens von beiden Mechs. Der Angriff
des Marodeurs war perfekt auf die hohe Reichweite seiner Fernwaffen geeicht,
während das Chamäleon seine Kurzstreckenwaffen perfekt eingesetzt
hat... Dass dieser Kampf dann so schnell ausgegangen ist, liegt wohl sicher
an der mangelnden Erfahrung ihres Kommilitonen, aber machen Sie ihm das
nicht zum Vorwurf... Für jemanden, der keinerlei Kampferfahrung besitzt,
hat er sich extrem gut geschlagen..."
Die höflichen
Worte der Kommandantin hatten ihn nicht trösten können... Sergej
saß in sich versunken und frustriert in dem Abteil der Schwebebahn
und starrte nach draußen.
Der weitere Aufenthalt im Nagelring war langweiligerer Natur gewesen,
wie Pedro fand. Sie hatten noch einer Kaserne, einem Exerzierplatz und
dem Offiziersclub einen Besuch abgestattet, hatten aber kaum genügend
Zeit gefunden, sich alles genau anzusehen. Schließlich waren sie
bei Einbruch der Nacht in ihren Zug eingestiegen und abgefahren.
Das, was Sergej da geschafft hatte, war ihm wohl kaum klar. Jedenfalls
schien er nicht so recht begreifen zu können, wieso man ihn mit bewundernden
Blicken anstarrte anstelle ihn als Versager zu brandmarken, was er anscheinend
lieber gehabt hätte. Ellen bemühte sich zwar redlich, ihn zum
Small Talk zu bewegen, war aber bisher jedes Mal gescheitert. Was ging
jetzt wohl in Sergejs Kopf vor? Weswegen war er eigentlich ausgeschieden?
Welchen Fehler hatte er gemacht? Denselben wie heute?
Plötzlich öffnete sich die Türe und Wellerbein stand vor
ihnen... Die sieben Studenten, einschließlich Sergej, sahen ihn
etwas irritiert an, bis der Dozent sich an den Ex-MechKrieger wandte:
"Ich suche Sie jetzt schon einige Minuten, Herr Zito..."
"Mich?" fragte Sergej blinzelnd.
"Genau... Ihr Vorstellung heute Nachmittag war beeindruckend..."
Der Student lachte laut: "Ich bitte Sie! Fangen Sie nicht auch noch
an, mich zu verspotten!"
Wellerbein lächelte: "Wer verspottet Sie? Ich sehe hier nur
einen und dass sind Sie selber... Entschuldigen Sie, aber wieso haben
Sie damals nicht gesagt, dass Sie so verteufelt gut sind?"
"Ich bin nicht gut!!" presste Sergej zischend hervor.
"Sicher... Sie haben es ja auch nur geschafft, einen echten BattleMech
ohne tägliche Übung auf den Beinen zu halten und ihre Ziele
ohne elektronische Zielhilfe exakt zu treffen... Sicher, Sie sind nicht
gut..."
Sergej schwieg, als er Wellerbein grinsen sah. Dann wurde der plötzlich
ernst: "Möglicherweise sind Sie im Moment auch nicht besonders
geübt, aber das findet sich schon wieder. Jedenfalls sind Sie talentiert..."
Er brach ab, holte eine Karte hervor und reichte sie ihm: "Wenn Sie
der Ansicht sind, dass Sie´s mal wieder am Steuerknüppel eines Mechs
versuchen wollen, rufen Sie bei diesem Mann an..."
Ein Blick auf die Karte sagte Sergej, dass darauf die Visiophonnummer
eines Mannes namens Charles Mitchell gekritzelt war.
"Charly bildet Leute wie Sie aus... Er leitet einen ähnlichen
Laden wie das Blackjack-Seminar, nur in erheblich kleinerem Maßstab,
aber mit demselben durchschlagenden Erfolg. Seine Absolventen haben noch
alle eine Stelle gefunden - und was noch wichtiger ist, sie leben noch
alle!"
Stille im Abteil.
"Wieso tun Sie das?" fragte Sergej leise.
"Weil Sie das Zeug dazu haben... Und weil ich den Gedanken hasse,
dass ein fähiger MechPilot nur wegen einer verdammten Zwischenprüfung
aufgibt..." Er stoppte, lächelte und fuhr dann fort: "Sehen
Sie, ich habe damals auch ´ne zweite Chance bekommen. Ohne das wäre
ich heute auch ein Nichts...
Ich kenne das Gefühl zu versagen nur allzu gut und ich weiß
auch, wie das ist, wenn man einen Solaris-Kampf sieht, das Brennen in
den Fingern spürt, aber nicht mehr selbst ran darf."
Wellerbein brach ab, drehte sich, ging aus dem Abteil und ließ den
verdutzten Sergej mit der Karte in der Hand stehen...
Adrenalin I - Kapitel 12 - Exkursion: Nagelring
05.04.2023
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