Adrenalin I - Kapitel 11 - Der Weg in die Hölle

05.04.2023

Sitzung Neun: Der Weg in die Hölle
Tharkad City, Tharkad
Mark Donegal, Vereinigtes Commonwealth
24.7.3054

Die Hitze hatte etwas nachgelassen, hatte sich in einen angenehmen, immer noch heißen, Sommer verwandelt, der nun über ihren Köpfen regierte und hoffentlich wohl noch ein, zwei Wochen bleiben würde. Kalt wurde es auf Tharkad von selbst...
Sie saß mit einem bleichen Gesicht in dem Copilotenstuhl und fragte sich wohl das tausendste Mal, wieso sie hier war, welcher Wahnsinn sie hierzu getrieben hatte.
Ellen trug gewöhnliche die typische Kleidung einer MechKriegerin: Shorts, ein Sweatshirt, eine Kühlweste und Gefechtsstiefel.
"Alles OK da hinten?" rief Sergej ihr zu und sie war schon kurz davor, ihn zu bitten, sie sofort wieder aussteigen zu lassen, aber als sie das glückliche Lächeln, sein etwas stupid zufriedenes Gesicht sah, zwang sie sich in dem zweiten Pilotenstuhl, der direkt hinter dem ersten in dem engen Cockpit angebracht wat, zu einem Lächeln: "Alles OK!"
Sie seufzte leise, ein Seufzen, das in den Hintergrundgeräuschen erstarb und nicht mehr wahrgenommen werden konnte. Nihongi, July und John waren mitgekommen, sozusagen als seelischer Beistand für Ellen. Allerdings auch weil sie es mit eigenen Augen sehen wollten, wenn Ellen sich mehr oder weniger freiwillig in einen Mech quetschte...
Sie hörte plötzlich ein leises Summen, das konstant lauter wurde. Sergej fuhr den Dunkelfalke hoch.
Oder nein, hochgefahren hatte er den Mech schon lange, er hatte nur die letzten Kontrollprotokolle abgeschaltet und den DKF völlig aktiviert. Und dann fühlte sie es...
Fühlte, wie die 55 Tonnen unter ihr zu vibrieren begannen... Fühlte sie in sich emporkommen, die Wellen des Glücks, als der mittelschwere SchauMech sich mit seiner Höchstgeschwindigkeit, 25km/h in Bewegung setzte und einfach nur einen Fuß vor den anderen setzte. Der Stahlgigant unter ihr schien nichts weiter zu sein als ein Teil von ihr, ein Teil ihres Seins, das sie bisher ignoriert hatte. Wie musste sich da erst Sergej fühlen, der ja die Kontrollen über den Mech hatte und der den Neurohelm trug...

Ellen zitterte noch immer etwas, als sie zusammen mit Sergej in die gläserne Lounge kam, in der ihre drei Freunde warteten. July grinste sie kurz an: "Und?"
Ellen lächelte zurück und sah sich etwas verlegen um, sah die Augen, die auf ihr ruhten: "Naja, es war ganz OK."
Nihongi lächelte diplomatisch: "Also dein Gesichtsausdruck sagt gerade was anderes."
Sie antwortete nicht, sondern lächelte nur. Sergej grinste: "Schon gut. Ich kenne niemanden, den dieses Gefühl nicht bewegt oder sogar kalt lässt."
Dann wandte sich Ellen an ihren Freund und murmelte: "In dem Marodeur - war´s da ähnlich?"
Sergej sah sie für einen Moment etwas verwirrt an, dann lachte er: "Das kann man nicht vergleichen! Das hier war nichts weiter als ein ganz müder Abklatsch eines echten BattleMechs! Dieser SchauMech hier hatte gerade mal die Form und die Tonnage eines echten DKF, aber ansonsten wirklich nichts. Wenn du erst mal an den Kontrollen eines echten BattleMechs gesessen bist, weißt du erst mal, was wirklich kraftvoll ist."
Sie blinzelte ihn an, dann schwieg sie. Sergej streckte sich genüsslich und meinte: "OK... Ich werd dann wohl abhauen - ich muss noch ´n paar Bücher lernen." Dabei versuchte er, sich zu einem Lächeln zu quälen und mutig auszusehen, aber fast erschien es Ellen, als dass er den Gedanken, in einem Mech gegen eine überlegene Übermacht zu kämpfen, dem Gedanken zu lernen vorziehen würde. Aber nun, sie kannte das Problem nur zu gut - die Klausuren standen direkt bevor, da konnte
es schon mal beängstigend knapp werden.
"Is gut... Ich bleib noch ´n bisschen hier." Murmelte Ellen und sah gedankenverloren das Tal entlang.

Wenige Minuten später war die Lounge praktisch leer. Ni und July waren mit Sergej mitgegangen, nur noch John saß schweigend in einem der Sessel und starrte aus den Fenstern, als Ellen sich von dem Blick auf das Gelände wegriss, ihre Erinnerungen kurz hinter sich ließ und sich zu John herumdrehte:
"Hast du Lust auf ´nen kleinen Spaziergang?"
"Hmmm..."
"Also ja?" lächelte Ellen, nahm John kompromisslos bei der Hand und zerrte ihn aus dem Gebäude...
Ihr Weg hatte sie in ein weiteres abgelegenes Tal geführt, das gleich im Anschluss an das Tal der Mechs kam. Ein Seitenzufluss des Onyx schlängelte sich hier durch und einige Dutzend Wanderpfade beinhaltete. Wie man hier, mit all dem Lärm der nahen Mechs die Natur genießen wollte, war ihr zwar schleierhaft, aber anscheinend benutzten genügend Menschen diese Pfade, um sie ständig neu instand zu halten.
Es war inzwischen später am Nachmittag geworden und die beiden hatten sich schweigend ein stilleres Plätzchen direkt an diesem Seitenfluss gesucht, etwas abseits der Trampelpfade, die natürlich auch von anderen Personen genutzt wurden als von ihnen, von anderen faulen Studenten, jungen Familien mit ihrem nörgelndem und schreienden Nachwuchs oder von jungen verliebten Pärchen, die John durch ihr öffentliches Geknutsche nur noch tiefer in seine Depression hineintrugen.
Der Platz war ziemlich schön. Unter anderen Vorzeichen hätte John wohl die romantische Ader dieses Örtchens wohl weidlich ausgenutzt, so gut glaubte sie ihn nun schon zu kennen.
"Angenehm hier, nicht?"
"Hmm..."
"Hm?"
Ja, ist ganz nett hier..."
Ellen verfiel wieder in Schweigen, starrte auf das Schilf des Altwassers vor ihr und setzte sich dann in das trockene Gras. Sah weiter nach vorne, seufzte kurz und erklärte: "Setz dich doch bitte auch."
Er schien kurz zu überlegen, setzte sich aber dann zögerlich neben Ellen und starrte ebenfalls auf den Flussarm vor sich. Dann räusperte sich Ellen leise: "Hör mal... Ich weiß, so was kann man nicht einfach mit einer einfachen Entschuldigung abtun..."
"Ja?"
"Ja?"
"Red nur weiter..." Er grinste sie an.
"Naja, aber ich weiß nicht, was ich außer einer Entschuldigung machen soll. Ich meine, ich kann dir auch vor die Füße fallen, wenn dich das eher zufrieden stellt... Ich weiß, dass ich Mist gebaut hab und ich möchte einfach, dass ich das irgendwie wieder ungeschehen machen kann."
John blickte sie düster an: "Das kannst du nicht... Was geschehen ist, ist geschehen..."
"Dann sag mir, was ich machen kann, damit du mir vergibst..." hauchte sie traurig.
"Gib mir Zeit, ja?"
Er sah sie ernst an, dann nickte Ellen und John fing plötzlich an, sie frech anzugrinsen: "Und ich hätte nichts dagegen, dass du mir zu Füßen liegst... Es gibt schlimmere Vorstellungen..."
Als er darauf zu kichern anfing, fiel sie mit ein, stupste ihn an und John ließ sich pathetisch zu Boden fallen...
"Wieder OK?" fragte sie leise und er antwortete mit einem Kopfnicken:
"Weißt du, ich will dieses Semester auch nicht auf diese Art zwischen uns beenden. Wär´ ja traurig, wenn wir uns nicht wieder zusammenraufen... Aber bis es wieder so wie vorher wird, na ja... gib mir bitte einfach Zeit, ja?"
"Ist OK." Kommentierte Ellen leise und mit einem vorsichtigen Lächeln.
"Dann können wir ja eigentlich wieder zurück, wenn das jetzt endlich erledigt ist..."

Donnerstag Morgen... John torkelte verschlafen in die Vorlesung und setzte sich wortlos zwischen Nihongi und Pedro. Während er herzhaft gähnte, sah Ni ihn schräg an: "Lange Nacht gehabt?"
John gähnte noch herzhaft, murmelte etwas von wegen "Lernen... Bücher... Kaffee..." und Ni antwortete lediglich mit einem dümmlichen, aber recht amüsiert wirkenden Grinsen. Dann sah er nach vorne und erkannte Wellerbein, der das allwöchentliche Kaffee-Ritual schon beinahe hinter sich gebracht hatte und wohl bald mit seiner Stunde anfangen würde... Die letzten Studenten betraten den Hörsaal, John winkte kurz den anderen Personen in der Reihe, als er hörte, wie sein Dozent sich laut räusperte und der Geräuschpegel brav nachließ...
"Danke dass sie mich auch zu Wort kommen lassen...
Heute, meine Damen und Herren, möchte ich zuerst eine kleine verwaltungstechnische Angelegenheit klären... Zu meiner Exkursion, die, wie sie ja wissen, diesen Samstag, also in zwei Tagen, stattfindet.
Ich bin etwas angenehm überrascht, dass sich so viele, etwa zweihundert Hörer trotz der nahenden Prüfungen dazu entschieden haben, teilzunehmen, möchte aber auch alle bitten zu erscheinen. Bezahlt haben überraschenderweise auch alle... Zum Ablauf brauche ich ja nichts mehr sagen, das steht ja auf dem Infoblatt, das im Büro ausliegt...
Gut, aber nun zum heutigen Thema. Die älteren Semester sollten wissen, was jetzt kommt... Ich pflege jedes Jahr eine Sitzung zu diesem Themenkomplex zu halten... Hin und wieder halte ich sogar eine eigene Vorlesung darüber..."
Ellen und Nihongi stöhnten laut auf... Wellerbein sah böse in ihre Richtung, fuhr dann aber fort: "Es handelt sich heute um eine Schlacht, die in ihrer Bedeutung bisher absolut einmalig für die Lyraner war, etwa ähnlich der Schlacht um Luthien im Clankrieg für den Drachen... Wäre diese Schlacht, die mit einer unglaublichen Wildheit und Härte geführt wurde, anders ausgegangen - dann würden wir mit Sicherheit nicht hier sitzen... vielleicht wäre Tharkad dann bereits draconisch - wenn Sie mir diese kleine Übertreibung erlauben."
Er setzte kurz ab und plusterte sich mit allem Pathos, das er aufbringen konnte, auf: "Heute, meine Damen und Herren, wollen wir über die Schlacht um Skye im Jahr 2892 reden."
"Wieder mal..." flüsterte Nihongi gelangweilt und zwang John zu einem belustigten Grinsen.
Wellerbein redete unbeirrt weiter. Offensichtlich war das eines seiner Lieblingsthemen, das ihn zu einem gewissen euphorischen Fanatismus verleitete. "Wir wollen diese Schlacht heute unter dem besonderen Blickwinkel ´Hinterhalt´ betrachten, was uns direkt in die entscheidende Szene der Schlacht führt...



Dawn stand müde vor ihrem Mech, einem uralten Kriegshammer und sah in den Sternenhimmel. Dort oben war alles so sanftmütig, so schön, vertaut und friedlich...
Schritte kamen näher. Dawn spannte sich sofort an, zog ihre Waffe - und sah Oberleutnant Fillipo Tripòdi aus dem Gebüsch wieder auftauchen, etwas verwirrt angesichts Dawns gezückter Waffe.
"Ist was, Leutnant Brooks?"
"Nein, ich war mir nur nicht sicher..."
"Wenn ich ein Draconier wäre, wären Sie sicher schon längst tot." Herrschte er sie an. "Oder meinen Sie, dass so eine kleine Handfeuerwaffe wie die ihre einen Infanteriezug der Schlangen stoppen kann?"
Dawn Brooks antwortete mit einem unsicheren und verärgertem Murmeln.
"Aber haben Sie keine Angst, sie haben uns nicht gehört, als wir unsere Mechs in Stellung gebracht haben."
"Ich habe keine Angst!" fauchte die junge Frau zurück. "Was haben Sie da in den Büschen eigentlich gesucht?"
"Musste mal... Müssen Sie nie??"
Fillipo grinste sie an und schwieg. Dawn verdrehte ihre Augen, murmelte kurz ein paar Worte und lehnte sich wieder an ihren Mech und sah wieder zu den Sternen hinauf. Tripòdi hangelte sich an der Strickleiter seines Zeus hinauf und blieb in der Einstiegsluke des Cockpits sitzen... Plötzlich winkte er Dawn, die ihn kurz ansah, dann zu dem Zeus hinüberging und ebenfalls an der Leiter hinaufkletterte.
Zu ihn kletterte und ihn fragend anstarrte: "Ja, Oberleutnant? Was ist?"
Fillipo deutete nach oben: "Von hier kann man die Sterne viel besser ansehen als vom Erdboden. Keine Bäume im Weg."
Sie blickte ihn düster an: "Und deswegen haben Sie hier rauf gehetzt??"
"Wieso nicht? Sie schienen doch vorhin die Sterne betrachtet zu haben."
Dawn schwieg - und lächelte. Dann deutete sie auf die rechte Schulter des Kampfkolosses: "Wollen wir uns nicht da hin setzen? Ist viel mehr Platz..."
Dawn schwang sich mit einem Satz auf die breite Schulter des Mechs und setzte sich, während Fillipo ihr nach Kurzem folgte.
Sie überblickte kurz das Gelände. Blickte auf den dunklen und unwirtlichen Sumpf, der sich um die beiden Mechs zog, auf das ausgedehnte Gebiet der Bannockburn Bogs, das so unentdeckt wie tödlich für jeden Fremden war. Bäume verdeckten die Sicht, kleinere und größere, vorwiegend armselige Nadelbäume, deren schlanke Stämme sich manchmal bis zu zwanzig Meter in den Himmel reckten.
Dann waren da die kleinen Büsche, die sich am Rand der Sumpflöcher standen, die sich über die ganzen Bogs erstreckten und an denen sich die paar wenigen Trampelpfade entlang schlängelten, die die Anwesenheit der beiden Mechs hier erst ermöglicht hatten. Die Draconier waren etwa zweihundert Meter vor ihnen auf dem schmalen Weg, der die Bogs durchquerte zum Stehen gekommen und hatten ihr Nachtlager aufgeschlagen, während zwei Kompanien der 17. Skye Ranger auf diesen geheimen Trampelpfaden hier in Stellung gegangen waren und den Feind umzingelt hatten. Die Operation war bis ins Kleinste gelungen und es war mehr als denkbar, dass die zahlenmäßig so überlegenen Draconier morgen bei Sonnenaufgang ihr blaues Wunder erlebten. Offenbar hatte sich der betreffende
Kommandeur der vorrückenden VSDK nicht vorstellen können, dass auch nur irgendjemand in diesem
Sumpf sein konnte oder ihn sogar durchqueren konnte.
Dawn musste plötzlich lächeln, als sie daran dachte, dass die fünf Offiziere, allesamt Scouts, die diese Schleichwege hier entdeckt hatten, noch vor diesem Tag von der ganzen Einheit als Spinner abgetan worden waren. Nun hatte ihre Entdeckung vermutlich das Blatt für die Lyraner gewendet... Morgen, kurz bevor die Draconier ihre Mechs und Panzer starteten, würde es beginnen. Wenn das allmorgendliche Chaos auf seinem Höhepunkt war, die Vorbereitungen für den Abmarsch auf Hochtouren liefen und die enge und schmale Straße, die ohnehin schon durch Mechs und Panzer vollgeparkt war, in einem Menschengewirr aus Techs, einfachen Wachsoldaten, Offizieren, Panzerfahrern und MechPiloten ersticken würde. Das würde um vier oder fünf Uhr morgens sein, je nachdem was die Scouts der Ranger den wartenden Mechs der Lyraner mitteilten.
"Was denken Sie, Oberleutnant?"
"Was meinen Sie, Brooks?" fragte Tripòdi in seiner typischen, mürrischen Art.
Als Dawn ihm einen kurzen Blick zuwarf, erkannte sie allerdings, dass er nicht allzu verärgert durch die Frage war. Nur eine alltägliche Reaktion, die der kleine untersetzte Mann eigentlich dauernd vollführte. Eigentlich hatte sie sich schon an diesen mürrischen Oberleutnant gewöhnt und begonnen, ihm so etwas wie Sympathie entgegenzubringen. Tatsächlich war Tripòdi ein hervorragender Offizier, der wohl alles getan hätte, um seine Truppen wieder lebendig aus einem Kampf herauszubringen. Dawn machte schon länger gemeinsam Dienst mit ihm und hatte bemerkt, dass sie ganz gut mit dem Oberleutnant auskam. Mochten sie möglicherweise menschlich nicht immer perfekt miteinander auskamen, was das Kämpfen betraf, waren sie ein unschlagbares Team.
"Den Kampf morgen früh. Was wird geschehen?"
"Können Sie sich das nicht selbst denken??"
Sie verdrehte ihre Augen: "Also ich denke, dass wir ihnen den Hintern aufreißen..."
Fillipo grinste sie an: "Ganz die Dame, Brooks, in allem was Sie sagen..."
"Ach, halten Sie Ihren Mund!" fuhr Dawn ihn wütend an.
Der Oberleutnant grinste noch breiter und erklärte dann: "Ich bin der gleichen Ansicht wie Sie. Obwohl uns möglicherweise Dracs entkommen, wenn wir nicht aufpassen."
"Meinen Sie?"
"Ja."
"Hm..."
Kurz herrschte Stille, dann flüsterte Dawn: "Sie müssen ausgelöscht werden. Alle! Oder wir verlieren Skye!"
"So weit würde ich nicht gehen, Brooks."
"Wir haben hier die einmalige Gelegenheit, ihnen ein volles MechBataillon und ein Panzeregiment zu nehmen! Danach haben wir zahlenmäßige Überlegenheit! Tun wir das nicht, haben sie wieder die Gelegenheit, gegen uns offensiv vorzugehen... Tripòdi, ich bin es so leid, meine Heimat gegen eine
zahlenmäßige Überlegenheit zu verteidigen. Sie müssen ausgelöscht werden!"
Dawns Gesicht verzog sich zu einem bösartigen kalten Lächeln und es schien ihn als ob Fillipo für einen kurzen Moment erschauderte. Dann räusperte er sich: "Mäßigen Sie sich, Leutnant!"
"Nein, das werde ich nicht tun!", brauste sie auf, "Sie haben Skye angegriffen! Meine Heimat, die Heimat dieser Einheit, der 17.Ranger. Wussten Sie, dass ich nicht weit von hier geboren wurde... Mein Leben lang war Skye für mich der Innbegriffes von Freiheit und Unbeugsamkeit! Lieber sterbe ich, als nur einer verdammten Schlange zu erlauben, diesen Planet wieder lebend zu verlassen!"
Tripòdi schluckte, sah sie gehemmt an und murmelte: "Möglich... Aber jetzt kommen Sie wieder runter! Man kann ja Angst bekommen..."
Sie lächelte düster und flüsterte leise: "Die einzigen, die Angst vor mir haben müssen, sind die VSDK, Oberleutnant. Ich werde morgen die Pforten der Hölle für sie öffnen!"
Er lächelte, nun etwas sicherer: "Na, da haben Sie ja einiges vor, Leutnant... Aber bedenken Sie bitte, dass wir es waren, die die Bombe geworfen haben..."
"Was?" Sie sah ihn verwirrt an, dann hellten sich ihre Züge auf: "Ach so, das... Es war kein Fehler, diese Atombombe einzusetzen, Oberleutnant."
"Leutnant! Wir haben hier eine taktische Atombombe eingesetzt, in der Nähe einer unserer Städte, nur um einen Vormarsch aufzuhalten!! Ich bitte Sie, das ist Wahnsinn. Was, denken Sie, werden die Opfer sagen? All die, die nicht das Glück hatten zu sterben und dort in der Nähe waren? Die ihr weiteres Leben lang mit der Strahlung leben müssen?"
Dawn sah ihn an, wich dann seinem Blick aus und flüsterte: "Kollateralschäden."
"Eh, wie bitte???" Fillipo starrte sie bestürzt an: "Wir reden hier über Menschen! Noch dazu über das Volk, das wir beschützen sollten!"
"Die VSDK waren durchgebrochen und hätten eine Position eingenommen, die uns gefährdet hätte. Es war notwendig, sie auszulöschen. Der Preis war zu zahlen, aber er war vertretbar!"
Noch immer sah der Oberleutnant sie mit offenem Mund an: "Brooks... Dawn... Das hier ist Ihr Planet. Ich hätte gedacht, dass gerade Sie ein Problem damit hätten, wenn er nuklear verseucht wird..."
"Solange Skye nicht draconisch wird, ist mir alles recht, Oberleutnant." Zischte sie.
Und wieder einmal schüttelte ihr Vorgesetzter den Kopf: "Ich kann Ihre Haltung nicht verstehen. Sie sind doch sonst nicht so... fanatisch."
"Hier ist es anders. Hier geht es um Skye. Jeder Preis ist hier tragbar."
"Und all die anderen Dinge, die unsere Truppen noch jetzt ausführen? Zivilisten als Schutzschilde zu benutzen? Selbstmordattentäter zu unterstützen, nur um den Dracs kleinere Schäden zuzufügen? Dass auch wir gegen Zivilpersonen vorgehen?? Unterstützen Sie das auch??"
"Ja, Oberleutnant. Für Skye!"
Er sah weg und murmelte dann: "Wissen Sie, was Sie da eigentlich sagen? Sie klingen nicht anders als einer dieser fanatischen Kuritaner, die wir zu bekämpfen versuchen."
Sie zuckte mit ihren Achseln: "Ich bekämpfe nur Feuer mit Feuer..."
"Und verlieren dabei Ihre Menschlichkeit, Dawn!"
Sie sah ihn wild an: "Ganz richtig! Aber wir sind schon zu lange und zu oft zurückgewichen! Bis hierher!! Bis hierher und nicht einen Schritt weiter!! Ich bin es leid, mich ständig zurückzuziehen."
Sie setzte kurz ab, ließ die Stille zurückkehren... Die Stille, die es nicht fertig brachte, den Hass und die Wut in ihrer Seele aufzulösen oder für einen Moment beiseite zu schieben... Dann sprach sie weiter, dieses Mal etwas sanfter: "Ich wünsche mir das ja alles auch nicht... Aber es geht nicht anders."
Fillipo lächelte sie schwach an: "Passen Sie auf sich auf, Dawn! Der Weg in die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert..."
Sie antwortete nicht... Der Oberleutnant sah nach oben, in den wolkenfreien Sternenhimmel: "Sie sind schön, nicht wahr?"
"Hm? Was?"
"Die Sterne, Dawn... So schön, so friedlich..."
"Ja."
Seine Stimme wurde plötzlich härter: "Was denken Sie? Wie viele da oben kämpfen gerade in diesem Moment um ihr Leben? Oder um ihren Planeten? Oder um irgend etwas anderes, das sie in den Glauben führt, zu töten?"
"Sie sind ja ein richtiger Philosoph, Oberleutnant." Flüstere sie mit einem leicht spöttischen Unterton.
"Ja, ich weiß..." antwortete er, ignorierte den Unterton und redete dann weiter: "Nur schade, dass das niemanden interessiert... Gehen Sie jetzt zurück in das Cockpit Ihres Mechs, Leutnant. Versuchen Sie, etwas zu schlafen. Ich wecke Sie bald."
Dawn nickte, stand auf und kletterte die Strickleiter herunter. Als sie über ihrem Kriegshammer stand, sah sie, wie Tripòdi im Cockpit seines Zeus verschwand und die Strickleiter noch hochzog. Dawn zuckte mit ihren Achseln und stieg nach oben...

Sie schreckte urplötzlich auf, als sie den schrillen Alarm hörte... Fuhr schlaftrunken hoch und donnerte mit ihrem Kopf gegen die Kanzelwand. Sie seufzte schmerzvoll an, rieb sich ihren Kopf und blinzelte aus ihrem Cockpit, entdeckte keinen VSDK und wandte sich dann ihren Sensoren zu, erkannte, dass Tripòdis Zeus den Kriegshammer anvisiert hatte und somit die Warnsensoren des Hammers berechtigt Alarm geschlagen hatten. Dann aktivierte sie ihr TakKom und murmelte ihren Oberleutnant mit einer Mischung aus Schläfrigkeit, Schmerzen und Verärgerung an: "Oberleutnant?? Wieso richten Sie Ihre
Waffen auf mich??"
"Ich dachte mir, das wäre die wohl effektivste Methode, Sie zu wecken, Leutnant..."
Dawn murmelte etwas in das Kom, sah dann auf den Chronometer... Halb fünf Uhr morgens. Ein weiterer Blick und sie realisierte, dass es zwar noch dunkel war aber die Sonne wohl demnächst bald aufgehen würde.
"Geht´s los?" flüsterte sie.
"In zehn Minuten. Ich habe gerade den Befehl von unseren Scouts bekommen. Machen Sie sich bereit, Leutnant."
"Jawohl Oberleutnant..." murmelte sie und schaltete ihren Mech von ´StandBy´ auf ´On´, ließ ihn warmlaufen.
"Sind Sie OK? Sie klingen nicht besonders fit."
"Hab mir nur den Kopf angestoßen, schon in Ordnung."
"Sind Sie kampffähig, Leutnant?"
"Ja, Leutnant! Natürlich! Geben Sie mir nur ´ne Minute, ja?"
"Genehmigt."
Es dauerte nicht mal diese sechzig Sekunden, dann waren die Schmerzen Vergangenheit und die beiden Mechs stand bereit und schweigend da... Bereit, loszuschlagen.
Acht Minuten nach Tripòdis Weckaktion meldete sich der Oberleutnant wieder: "Ich habe gerade den Angriffsbefehl bekommen, Leutnant. Folgen Sie mir. Feuern Sie erst auf meinen Befehl hin... Und versuchen Sie, leise zu sein. Sie dürfen uns nicht entdecken!"
"Jawohl, Oberleutnant." Gab Dawn kurz zurück.
Es war niemals besonders einfach, einen Mech so zu steuern, dass er wenig Aufsehen erregte, aber ihn so zu steuern, dass er unbemerkt blieb war fast unmöglich. Zwölf Meter reinstes Metall, gekoppelt mit 70 Tonnen, lauten Schritten und einer beeindruckten Konstruktion, die wohl immer und überall gesehen werden konnte, machten das Schleichen eigentlich zu einem Ding der Unmöglichkeit.
Aber hier, im Schutz der morgendlichen Schatten und des Frühnebels, der hohen Bäume und der Geräuschkulisse des draconischen Aufbruchs gelang es...
Die beiden Mechs schlichen sich langsam und vorsichtig an die Hauptstraße, die mit den Panzern und Mechs der VSDK zugeparkt war und gerade durch all die draconischen Soldaten erstickt wurde...
"Feuer frei!" kam plötzlich Tripòdis lustloser Befehl über das TakKom. Dawn zögerte nicht... PPK aktivieren, stehendes Ziel anvisieren und feuern war praktisch eins. Die Entfernung war perfekt. Die PPK traf und der Attentäter stürzte, im Rücken voll getroffen, vernichtet zu Boden. Vernichtet durch einen perfekten Schuss... Und das war nicht der einzige Treffer. Überall entlang der Straße explodierten Panzer, Mechs, wurden Menschen getötet. Die VSDK schienen zuerst kaum zu begreifen.
Und konnten nur fühlen, wie das Böse von einer Sekunde auf die andere über sie hereinbrach...
Dawn wartete kurz, bis ihre PPK herabgekühlt war, dann zielte sie mit der zweiten PPK auf den nächsten Gegner, sah zu, wie eine Wespe zu Boden, wie die PPK den anderen Mech kompromisslos fällte, sein Bein vom Körper riss... Wieder warten, herunterkühlen lassen, wieder feuern, dieses Mal mit zwei PPKs und ein schwerer Dracon fiel. Warten... Herunterkühlen lassen...
Das Chaos auf der Straße war perfekt... Explosionen, stürzende Mechs... Schreiende Menschen... Draconische Träume, die zerrissen wurden... Und Dawn, die in ihrem Cockpit saß, feuerte, wartete, feuerte, wartete... Tripòdi neben ihr war nicht minder gewalttätig... Eine Horde bewegungsloser und verteidigungsloser feindlicher Mechs und Panzer vor sich stehen zu haben, verführte nun einmal jeden
echten MechKrieger zum Angriff. Womöglich war es ja hinterhältig und grausam - aber eine solche Chance bot sich vielleicht nie mehr wieder. Sogar Tripòdis hohe Moralwerte waren da vergessen. Plötzlich erkannte Dawn eine Gruppe einiger MechKrieger mit ihren hastig angelegten Uniformen, die sich den Weg zu ein paar noch intakten Mechs bahnten, stoppte, drehte ihren Torso, aktivierte ihre großkalibrigen MGs und feuerte in die Menschenmasse... Während sie den Feuerknopf gedrückt hielt und all die Körper auf der Straße unter sich zucken sah, lächelte sie kalt und murmelte kalt: "Ihr habt den Krieg nach Skye getragen... Nun bekommt ihr ihn zurück..."
Plötzlich eine Bewegung... Dawn fuhr hoch, ließ von ihren wehrlosen Feinden ab und aktivierte beim Anblick des draconischen Donnerkeils, der langsam auf den Zeus und den Kriegshammer zustapfte, sofort beide PPKs. Dass der VSDK dabei gezwungen war, tote und verwundete Kameraden auf der engen Straße zu zerstampfen, schien ihn egal zu sein... Jetzt war es sowieso egal. Meldungen, die in Sekundenbruchteilen über Dawns Kom hereinbrachen, besagten, dass die VSDK geschlagen waren. Fast alle ihre Mechs waren zerstört, fast das komplette Bodenpersonal und die Kämpfer ausgelöscht und auch die Panzer schon zur Hälfte zu Schrott gemacht worden waren. Andere Meldungen hatten besagt, dass verschiedene Teilverbände der VSDK auf dieser Straße, in dieser unvergleichlichen Todesfalle, ihre Kapitulation über Kom gesendet hatten. Ganz in Dawns Sinne hatte niemand darauf reagiert... Keine Gefangenen, keine Gnade... Dies war keine Schlacht, sondern eine Hinrichtung. Skye sollte zum Alptraum für das Kombinat werden... Es war egal, wie viele halbtoten VSDK der Donnerkeil unter sich begrub - jetzt schon. Tripòdi feuerte zuerst. Schwerer Laser und Langstreckenraketen wurden abgefeuert... trafen... ließen den Gegner zurücktorkeln... Dann feuerte der Hammer und wiederum beide Waffen trafen. Der Draconier torkelte weiter zurück, blieb an einem zerstörten und ausgebrannten Panzer hängen und stürzte wie in Zeitlupe nach hinten. In eines der Sumpflöcher neben der Straße und versank dort still... Dawn atmete heftig durch, kämpfte gegen die beißende Hitze, hörte die Wärmetauscher surrend und ächzend ihre Arbeit durchführen, wartete, wartete... und feuerte wieder.



"Die Schlacht bei den Bannockburn Bogs war eine unglaubliche Niederlage für die VSDK. Fast alles auf dieser Straße wurde durch die zwei lyranischen MechKompanien in Stücke gerissen. Einzig zwei Mechs, ein Jenner und ein Heuschreck, sowie fünf leichte Panzer haben dieses Massaker überlebt... Die Draconier waren noch für etwa ein Jahr auf Skye, aber keine echte Bedrohung mehr. Sie hatten für die Falle, die sie sich mit der Wahl dieses extravaganten Nachtlagers selbst gestellt hatten, gezahlt. Skye blieb lyranisch... Ach ja, noch eine kleine Anmerkung: Möglicherweise sind Ihnen ja Ähnlichkeiten zwischen den Namen aufgefallen... Dawn Brooks hatte eine Verwandte, die hier ebenfalls schon erwähnt wurde: Angie Brooks, die 2951 beinahe ihr Leben auf Phalan gelassen hätte, sechzig Jahre nach Dawn, wie ich in unserer ersten Sitzung schon erwähnte. Die wenigen unter Ihnen, die meinen Worten aufmerksam folgen, werden sich vielleicht erinnern... Soviel zu Skye..."


Älterer Artikel von mechforce.de. Nicht mehr online.




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Erstversion vom 05.04.2023. Letzte Aktualisierung am 05.04.2023.


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