Abwesend: Sitzung
Tharkad City, Tharkad
Mark Donegal, Vereinigtes Commonwealth
3.7.3054
Es war etwa
elf Uhr morgens, als Nihongi an der Wohnungstür von July klingelte.
Er musste kurz warten, dann öffnete sie. Nihongi trat mit einem freundlichen
Lächeln ein und - sah John in der kleinen Wohnung sitzen, mit einem
Sesamplätzchen im Mund und einem Wildbeerentee vor sich.
Nihongi sah ihn etwas irritiert an und John flüsterte ziemlich mitgenommen:
"Ich geh gleich..."
"Nein, du kannst ruhig da bleiben... Ich wunder´ mich nur..."
July lächelte Ni an: "Naja, weil wir heute später zur Uni
müssen, dachte ich, dass wir heute zusammen frühstücken
könnten."
John nickte, schluckte sein Plätzchen herunter und lächelte
July schüchtern an: "Also dann bis zum Seminar?"
"Ja, OK... Dauert ja nicht mehr lange."
Mit diesem Kommentar Julys ging John aus der Wohnung. Nihongi schloss
die Tür und blickte July irritiert an: "Eh? Du hättest
ruhig sagen können, wenn ihr zusammen frühstückt."
"Naja, nichts für ungut, dieses Mal eher nicht... John wollte
mal unter vier Augen reden."
Nihongi sah sie noch verwirrter an, dann schüttelte July verärgert
ihr Gesicht und seufzte laut auf: "Manchmal du bist echt schwer von
Verstand! Wegen Ellen!"
"Hm, ach so diese Geschichte... Er muss wohl ziemlich daran knabbern?"
"Ja, das muss er. Ich hab jetzt volle zwei Stunden gebraucht, um
ihn wieder etwas aufzurichten... Depressionen früh morgens sind nun
wirklich nicht das Wahre!"
"Hm, was ist da eigentlich passiert? Verkraftet er´s nicht, dass
Ellen sich für Sergej entschieden hat?"
Diesmal war es an July, irritiert zu schauen, dann seufzte sie ein zweites
Mal: "Und mitkriegen tust du auch nichts! John und Ellen hatten was,
aber sie hat dann ein paar Tage später Schluss gemacht und versucht´s
jetzt bei Sergej."
Er sah sie verständnislos an: "Sag mal, wie alt seid ihr eigentlich?
Fünfzehn?? Ihr macht rum wie unreife Teenager..."
Sie ächzte schwer: "Vergiss es einfach, ja? Männer kapieren
so was eh nicht..."
Ni grinste: "Ja genau... So wird´s sein... Apropos... Ich hätte
da auch noch ein Problem..."
"Ja?"
"Hm...", er blickte sie etwas verlegen an, "Du wirkst in
letzter Zeit so komisch... Ist was?"
"Nein. Sollte denn was sein?"
"Ach, nur so..."
Er ging in die Wohnung, stellte sich in die kleine Kochnische und ließ
heißes Wasser in das Waschbecken fließen. Sie sah ihm kurz
über die Schulter: "Was machst du da?"
"Abwaschen? Einer muss ja die Überreste von eurem Frühstück
beseitigen."
"Hm... Ja... OK."
Einen Moment lang sprach niemand.
"Sag mal, das Gespräch letztens zwischen mir und meinem Vater
hast du nicht zufällig mitangehört?"
July blinzelte ihn an: "Wie kommst du jetzt auf das?"
"Naja, unsere Diskussion vor zwei Tagen über die Grenzkonflikte...
Du warst da ziemlich irritierend
und auch etwas ausfällig. Da dachte ich..."
"Hm..."
"Ich meine... Ach egal. Aber du kannst dir sicher vorstellen, wie
schwer es hier manchmal ist als Sohn eines Draconiers auf Tharkad... Seit
den Clans hat sich das alles etwas gebessert, weil viele unserer Truppen
damals Seite an Seite mit VSDK gekämpft haben. Aber... kompliziert
ist es immer noch."
Sie lächelte verlegen: "Ich versteh dich ja..."
"Weißt du, ich weiß, dass ich zur Hälfte ein Draconier
bin, aber ich fühle mich wirklich wie ein Lyraner... Ich versuche
mein Bestes, um das tagtäglich aller Welt zu beweißen..."
July trat mit einem Lächeln an ihn heran: "Ist doch gut... Du
brauchst dich nicht für deine Herkunft rechtfertigen oder schämen.
Erst recht nicht vor mir."
Nihongi lächelte glücklich zurück: "Gut, das wäre
dann also erledigt..."
"Eh, erledigt?"
"Ja... Das Abwaschen..." Er grinste sie an, schlängelte
sich an ihr vorbei und verließ die Wohnung. July hielt ihn noch
kurz zurück: "Ni?"
"Ja?"
"Dein Vater hatte recht. In meiner Familie sind schon mehre Menschen
bei Überfällen der VSDK gestorben... Und wie ich es meinen Eltern
erkläre, dass ich mich in einen Draconier verliebt habe, weiß
ich nicht... Weißt du, bevor ich bei dir daheim war, war alles einfacher.
Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, in dir einen Draconier zu
sehen. Vielleicht hab ich es auch etwas verdrängt... Als dein Vater
sagte, dass er früher selbst ein VSDK war, ist mir dann langsam klar
geworden, dass ich diese Sache nicht so einfach ignorieren kann. Aber
ich versuche auch mein Bestes, ja? Gib mir einfach etwas Zeit, um richtig
darüber nachdenken zu können..."
Nihongi nickte, drehte sich um und ging.
Halb zwölf
Uhr morgens... Arnulf Wellerbein stand vor einem Grab. Einige hundert
Meter vor ihm befand sich das - in diesen Sommertagen - ruhige Nordmeer.
Der Friedhof hier, an dieser namenlosen Klippe, gehörte zu einer
verschlafenen, wenige Seelen großen, Dorfsiedlung.
Wellerbein verlor sich in dem Blick auf das Grab... Drehte sich dann weg,
verließ den Friedhof und ging an den Rand der Klippe, sah auf das
stille Meer... Es war ein angenehmer, schöner Tag mit einem wolkenfreien
Himmel, einer strahlenden Sonne und warmen Temperaturen. Fast so war es
damals auch gewesen, an diesem schicksalsträchtigen Tag Anfang Dezember
3028...
"Woran denkst du, Boss?"
Die Frage riss völlig ihn aus seinen Gedanken, er zuckte zusammen
und sah zur Seite, sah hinüber zu dem Mech, in dem die Frau, die
diese Frage gestellt hatte, Claudia Smithener, saß. Er konnte praktisch
durch das Kom sehen und hören, wie die kleine Person mit ihren kurzen
schwarzen Haaren ihn lustig anblitzte an und sich selbst kommentierte:
"Natürlich an nichts... Wie könntest du auch? Du denkst
ja nie an etwas..."
Arnulf verdrehte seine Augen: "Doch, ich denke an etwas, Claudia!"
Die Schwarzhaarige lachte amüsiert: "Was ganz Neues! Und willst
du es mir auch mitteilen?"
Arnulf schwieg... Sah weiterhin nur geradeaus auf die kalten weißen
Gletscher voraus. Es war ein herrlicher, sommerlicher Tag. Nur die Gletscher
erinnerten ihn daran, dass sie hier im Norden des Planeten waren. Hier
im Tal hatten die Temperaturen bisher angenehme 20° C erreicht. Wenige
Kilometer weiter begann bereits der hiesige nördliche Ozean und er
gedachte, ihn zu sehen... Zumindest hatte er das vorgehabt. Aber zuerst
waren da die VSDK...
"Arni? Du kannst es mir gerne sagen..."
Claudias Greif zog an Wellerbeins Kriegshammer vorbei...
"Zurück ins Glied, Oberleutnant!" bellte der Hauptmann
urplötzlich in sein Kom.
Claudias Mech verlor wieder Geschwindigkeit und nahm seine ursprüngliche
Marschposition in der Kompanie ein.
"Weißt du, Claudia, diese ganze Sache hier draußen gefällt
mir nicht. Die Dracs ziehen uns hier in Gefechte, die sie bestimmen. Ich
hab einfach ein mieses Gefühl dabei." Murmelte der Hauptmann
leise in die Privatverbindung zwischen den beiden Mechs.
"Jetzt mach´ dir mal nicht ins Hemd, Hauptmann! Immerhin haben wir
sie doch bisher richtig nett vor uns her getrieben!"
Arnulf lächelte... Ja, seit dieser Krieg begonnen hatte, mussten
die Dracs mit Blut zahlen. Niemand hatte das voraussehen können und
dementsprechend euphorisch war man hier an der Front. Der große
Feind, das mächtige Draconis-Kombinat, wurde geschlagen. Ein ums
andere Mal. Die Moral der Truppen war hervorragend angesichts solcher
Meldungen. Die Rationen schmeckten, das Wetter war immer gut und niemand
nörgelte über Versorgungsengpässe...
Wie hier auf Camlann, wo die lyranischen Angreifer, an die fünf Regimenter,
darunter zwei volle MechBataillone, drei draconische Regimenter, die allerdings
etwa eine Kompanie mehr Mechs besessen hatten, in einem gnadenlosen und
heftigen Sturmangriff in den Boden gestampft hatten.
Der Planet war damit gesichert, erobert, befreit, wie auch immer man das
nennen wollte... Befriedet war er noch lange nicht. Die Lyraner hatten
zwar die Masse der draconischen Regimenter in Schrott verwandelt, aber
es waren leider auch eine Menge Gegner entkommen und hatten sich in die
unzugänglichen Bergregionen des Planeten geflüchtet, von wo
aus sie versuchten, sich neu zu formieren, während die LCS verzweifelt
versuchte, sie zu stellen.
"Sicher... Sicher haben wir bisher den Staub mit ihnen gewischt.
Aber das war ja auch nicht so schwer bei konzentrierten Angriffen, bei
denen wir immer deutliche Überlegenheit hatten, Claudia."
"Hey! Wir sind besser wie die!! Diesmal sind wir besser!" In
Claudias Stimme schwang wieder dieses unnachahmliche Glücksgefühl
mit...
"Ja... Vielleicht... Seit zwei Monaten. Und die letzten beiden zwei
Jahrhunderte waren die besser."
"Ach, lass deinen Sarkasmus doch endlich!"
"Sweetheart, wir haben sie bisher nur geschlagen, weil wir jedes
Mal in Überzahl waren und weil unsere Kommandeure echt ein paar helle
Augenblicke hatten... Aber hier kämpfen wir nach ihren Regeln...
Die können uns Fallen stellen wo und wie sie wollen. Is´ ja auch
klar, die kennen das Gelände. Waren ja lang genug da oben. Abgesehen
davon, dass wir jetzt wohl in die Eins-zu-Eins - Situation kommen..."
"Und wo ist das Problem?"
"Das sind VSDK!"
"Du denkst zu viel, Arni."
"Was soll ich sonst tun? Ich bin Kommandeur dieser Kompanie."
Er hört Claudia leise in das Kom lachen... "Ich hätte dich
diese Nacht noch etwas mehr fordern sollen..."
Arnulf lachte ebenfalls: "Noch mehr?? Willst du mich fertig machen?
Du bist ja so schon anstrengend genug..."
"Hey!" protestierte Claudia spielerisch, "Du bist anstrengend,
nicht ich!"
Arnulf antwortete nichts darauf... Dieser kleine schwarzhaarige Wirbelwind
hatte es ihm seit der ersten Stunde angetan, seitdem sie sich kannten.
Das war vor einem halben Jahr gewesen, als er von seiner alten Truppe
weg versetzt worden war und diese Kompanie übernommen hatte. Es hatte
ein, zwei Wochen gedauert, dann war klar geworden, dass die beiden ein
Paar werden würden.
Dann war dieser Krieg gekommen, der einiges verändert hatte. Die
Angst, sie den nächsten Tag oder im nächsten Augenblick verlieren
zu können, hatte ihn mutiger, direkter, zutraulicher werden lassen.
Und sollte er heute, morgen oder übermorgen fallen, dann blieb das
Wissen, dass er die letzten Wochen mit Claudia gelebt hatte.
"Feindkontakt!"
Sekundenbruchteile, nachdem dieser Ruf über das allgemeine TakKom
gekommen war, beendete Arnulf die private Leitung und schaltete auf das
KompanieKom: "Bericht!"
"Da oben auf dem Berg vor uns steht ein Panther."
Die Meldung kam von dem Piloten des Kampftitan, der schwersten Maschine
in der Kompanie. Der Mech war von den Kämpfen, wie fast alle Mechs
der Einheit, ziemlich mitgenommen worden, hatte schwere Schäden an
den frontalen Panzerplatten, dazu waren zwei mittelschwere Laser und ein
MG ausgefallen. Insgesamt hatte Wellerbeins Einheit bislang fünf
Mechs eingebüßt, wobei glücklicherweise keiner der Piloten
gefallen war, sondern im schlechtesten Fall für einige Monate im
Lazarett lag. Arnulf hatte auf die Verluste reagiert und Scout- und Kampflanze
zusammengefasst.
Der Hauptmann sah in die betreffende Richtung und kommentierte ins Kom:
"Ja, ich sehe ihn."
"Was tut der Idiot da oben? Es muss ihm doch klar sein, dass wir
ihn sehen..." Dieser Kommentar stammte vom Piloten der Hornisse,
einem Überbleibsel der Scoutlanze.
Arnulf sah kurz genauer hin, dann zögerte er und zischte: "Er
winkt uns, Leutnant."
"Wieso sollte er so was tun?"
"Er möchte, dass wir ihm folgen... Und in die Falle gehen...
Smithener?"
"Ja, Hauptmann?"
"Wie groß ist laut den Informationen der Logistik die VSDK-Streitmacht
dort oben?"
"Laut LNC sind da oben zwei, maximal drei Mechs..."
Arnulf murmelte leise ins Kom: "Also entweder drei Mechs in überlegener
Hinterhaltposition oder eine bis zwei Lanzen. Oder beides."
"Und was tun wir jetzt, Boss?" hörte er die jetzt leise,
fast schon zerbrechliche Stimme von Claudia.
Der Hauptmann überlegte keinen Moment: "Angreifen, was sonst?
Smithener, funken Sie das HQ an, ich möchte einen Heli, Senkrechtstarter
oder sonst etwas fliegendes hier haben, das die Lage da oben auskundschaftet.
Funken Sie weiterhin, dass wir möglicherweise Jäger anfordern...
Ansonsten folgen wir dem Panther da oben."
"Aber Hauptmann, Sie meinten doch gerade, das ist eine Falle..."
"Von der wir jetzt wissen, das sie existiert. Halten Sie Ihre Augen
offen! Das Oberkommando benötigt die meisten unserer Truppen auf
anderen Planeten. Wir können es uns nicht leisten, hier ein paar
Monate lang versprengte Drac-Reste zu jagen!"
Es hatte an
die vier Stunden gedauert und die sieben Mechs hatten den Aufstieg geschafft.
Sie waren über einen Pass nach oben gestoßen, der selbst der
schwersten lyranischen Maschine, dem Kampftitan, erlaubte, nachzukommen.
Hier an der Grenze zum ewigen Eis, in 2000 Meter Höhe, konnte ein
falscher Schritt schon für einen Menschen das Ende bedeuten und für
einen 85-Tonner erst recht. Da war es klar, dass man Acht geben musste.
Hinzu kam, dass in dieser Höhe das Atmen natürlich schwerer
fiel als im Tal. Wellerbein hörte im offenen TakKom seine Leute immer
angestrengter Luft holen...
Der Plan der Draconier hatte sich als durchschaubar, eigentlich enttäuschend
durchschaubar, herausgestellt. Der angeforderte Scout, ein Hubschrauber
der Frettchen-Klasse, hatte
die Lage gesondert und auf einem Hochplateau, etwas ein Kilometer westlich
und fünfzig Meter weiter in der Höhe, neben dem Panther, der
immer auf Sichtlinie blieb und sie weiter in die Höhe und in die
vermeintliche Falle lotste, zwei weitere draconische Mechs, eine Wespe
und einen Dracon, ausgemacht, sowie die Fußspuren einer leichten
und einer schweren Maschine, die in einem schwer einzusehenden Tal verschwanden...
Die Fußspuren der Mechs waren in den Eis- und Schneefeldern hervorragend
zu lokalisieren.
"Er bleibt stehen!" rief der Pilot des Kampfschützen. Als
Arnulf in die Richtung des Panthers sah, bemerkte auch er, dass der leichte
Mech wirklich stehen geblieben war und nun, etwa fünfhundert Meter
vor ihnen, auf einem etwas höheren Felsenabhang scheinbar auf einen
Gegner wartete.
"Das Schwein hol ich mir!" knurrte der Kampfschützen-Pilot
in sein Kom.
"Stopp!" fauchte Wellerbein, "Oberleutnant, Sie machen
nicht einen Schritt!"
"Aber Hauptmann! ´Nen einzelnen Panther putz ich weg wie nichts."
"Sicher... Sofern Sie den Sturz überleben... Sehen Sie mal ein
paar Meter voraus! Sehen Sie das breite Schotterfeld da vor uns in der
Schräglage... Er muss die oberen Felsen nur etwas in Erschütterung
bring und Sie stehen mitten in einem Steinschlag - und stürzen mitsamt
den Felsen den Berg runter... Panther ignorieren! Smithener!"
"Ja, Boss?"
"Springen Sie mal auf die Felsformation links von Ihnen und schauen
Sie nach, wie wir hier weiterkommen."
Ohne weiteren Kommentar sprang der Greif auf den Felsvorsprung und sah
sich einen kurzen Moment das Gelände an: "An der rechten Flanke
führt ein Seitental abwärts. Sieht so aus, als würde es
wieder zurück ins Tal führen. Großes Schneefeld. Sieht
verdammt lawinengefährdet aus. Hier an der linken Flanke führt
ein enger Pass nach oben, der nach so fünfzig Meter breiter wird
und in das nächste Höhenplateau mündet. Schneefeld wirkt
geringmächtig, ebenfalls Schneefeld an den höheren Hängen,
keine akute Lawinengefahr erkennbar. Allerdings Hinterhalt auf dem Aufstiegspaß
möglich, sonst alles OK."
"Hm..."
Er bellte in das TakKom: "Mensson, Karlinger, Teng, sichern Sie zusammen
mit Smithener diesen Aufstiegspaß."
Die restlichen drei sprungfähigen Mechs der Einheit, eine Hornisse,
ein Derwisch und ein Dunkelfalke sprangen nun auf weitere höhere
Felsen und sicherten den Pass zu allen Seiten ab... Wellerbein blieb einen
Moment stehen, ob möglicherweise einer der vier Mechs einen Gegner
sichtete und eine mögliche Falle identifizierte... Nichts geschah.
Wellerbein winkte mit seinem PPK-Arm den beiden anderen Mechs, die außer
seinem Kriegshammer nicht sprungfähig waren, dem Kampftitan und dem
Kampfschützen.
Er ging als erster. Und erschauderte kurz... Wenn diese Sache hier beendet
war, musste er mal dringend mit Claudia darüber sprechen, was man
als ´Pass´ identifizieren konnte und was nicht mehr. Dieser ´Pass´
war etwa zehn Meter breit, links davon ging es senkrecht nach unten, rechts
davon senkrecht nach oben... Unnötig zu erwähnen, dass dieser
Weg natürlich uneben war...
"Wellerbein an Rest. Immer nur einer. Ich geh als erster."
Nach einer Viertelstunde hatte er seine sieben Mechs wieder zusammen auf
dem nächsten Plateau, alle an einem Stück zwar, aber etlicher
Nerven beraubt. Der Gang über diesen ´Pass´ war Irrsinn gewesen
und Wellerbein schwor sich, den Rückweg anders zu gestalten. Draconische
Mechs waren keine gekommen, aber der Panther hatte ihnen während
der ganzen Aktion zugesehen. Glücklicherweise war der eigentliche
Pass von dem draconischen Mech weder gut einsehbar noch angreifbar gewesen.
Dann ging es weiter.
Die lyranische Einheit rückte weiter vor und der Panther führte
sie langsam die Hänge hinauf. Bis plötzlich der Dracon und die
Wespe den Hang herunter kamen und hinter zwei Felsvorsprüngen in
Deckung gingen. Wie der Panther.
"Boss?"
"Smithener?"
"Was soll der Mist? Die greifen ohne Zwei an..."
"Überlege ich auch gerade an..." murmelte er in das Kom,
während er seine Augen auf der digitalen Karte dieses Gletschersystems
hatte... Einige Felder der Karte waren weiß, aber das meiste war
erforscht und mit Oberflächenformen und Isohypsen überzogen.
"Leutnant Mensson, Oberleutnant Pamilainen, postieren Sie sich hinter
der Felsformation rechts und achten Sie auf die Vorsprung ganz rechts
außen."
Die Hornisse und der Kampfschütze stellten sich ohne jegliche Fragen
dort hin. Wellerbein grinste bösartig ins Kom: "Wenn mich nicht
alles täuscht, dann werden da gleich ein Leichter und ein Schwerer
auftauchen und annehmen, dass sie uns überraschen..."
Praktisch im selben Augenblick kam eben dieser besagte schwere Mech um
die Ecke, sah die beiden Mechs auf sich zukommen und verschwand schnell
wieder hinter seiner Deckung.
"Oberleutnant, haben Sie gesehen, was es für einer war?"
"Kreuzritter, Hauptmann."
"Gut. Position halten, auf keinen Fall mehr... Smithener, nehmen
Sie sich Karlinger und Teng und springen Sie auf die Felsdöme links
von Ihnen. Sobald Sie in geeigneter Angriffsposition sind, greifen wir
den Dreier-Verband da oben von zwei Seiten aus an..."
Claudias Greif sprang zusammen mit dem Derwisch und dem Dunkelfalke aus
dem eigentlichen Gebiet und besetzte langsam aber beharrlich die Flankenposition...
Arnulfs Blick ging wieder auf die Hänge. Die VSDK hatten das Gelände
gut gewählt. Hier war das meiste nur Fels, kaum Schnee bedeckte das
Gebiet, beziehungsweise die höherliegenden Stufen. Eine mögliche
Lawinengefahr war praktisch ausgeschlossen... Niemand hier oben war so
wahnsinnig, die Kräfte der Natur herauszufordern. Steinlawinen waren
schon schrecklich genug, aber Masse, Geschwindigkeit und Wucht einer Schneelawine,
die hier oben mehr als leicht durch eine klitzekleine Erschütterung
ausgelöst werden konnte, vernichteten alles.
"Oberleutnant Woitila, wir beide bleiben hier in der Deckung und
warten, bis unsere sprungfähigen Maschinen soweit fertig sind..."
"Hauptmann... Da oben passiert was..."
Wellerbein starrte den Kampftitan irritiert an, dann sah er nach oben
- und glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Die drei Mechs waren aus
ihrer Deckung getreten und griffen an... Plötzlich wurde es ihm klar.
Die drei mittelschweren Mechs der Einheit waren momentan außer Griffweite.
Zur Zeit bedeutete das, dass die Lyraner in numerischer Unterlegenheit
kämpften... Der draconische Offizier hatte die Gunst des Moments
genutzt und diesen beinahe schon unaussprechlichen taktischen Blackout
Wellerbeins genutzt...
Wellerbein schüttelte die Bedenken von sich ab. Trat aus seiner Deckung
und hatte den Dracon vor Augen, keine zweihundert Meter vor ihm, der in
Höchstgeschwindigkeit gegen die lyranische Stellung anrannte. Der
Kampftitan verließ seine sichere Stellung ebenfalls und - konnte
nur noch sehen, wie der Panther und die Wespe ihre Sprungdüsen aktivierten
und sich in die Lüfte hoben...
"Wellerbein an Smithener!!"
"Boss?"
Wellerbein war nahe daran, in Panik zu verfallen: "Claudia, schaff
deinen Hintern sofort her! Wir werd..." Weiter kam er nicht. Das
Kreischen landender Sprungdüsen übertönte alles in der
näheren Umgebung... Er sah zur Seite und erkannte einen Jenner, den
fünften draconischen Mech... Explosionen rechts. Der Kreuzritter
trat wieder aus seiner Deckung und feuerte aus allen Rohren. Die Wespe
landete neben ihm, der Jenner brach nach rechts aus, brachte sich direkt
hinter den Kampftitan. Der Kampfschütze trat aus der Deckung und
belud den angreifenden Kreuzritter mit einer vollen Breitseite, während
die lyranische Hornisse wendete und den Panther, der keine paar Meter
hinter ihr gelandet war, angriff... Wellerbein fühlte eiskalte Wut
in sich aufsteigen, drehte seinen Torso, hatte die Wespe im Visier - und
feuerte. Neben ihm wendete auch der Kampftitan, gerade rechtzeitig, um
dem Jenner seine Flanke statt seinen Rückenpartien zu reservieren.
Die volle Breitseite des leichten Mechs, bestehend aus den vier Lasern
und den Kurzstreckenraketen, die den Jenner wohl völlig überhitzen
musste, zerstörte das zweite MG des 85-Tonners, sowie einen weiteren
Laser und schmolz Unmengen an Panzerung. Die draconische Wespe verschwand
unter einer Feuerwand aus Explosionen. Wellerbein hatte alles bis auf
seine beiden PPKs eingesetzt. Diese Wespe würde nun dafür bluten,
einen Kriegshammer herausgefordert zu haben... Er wartete kurz, um seinen
Wärmetauschern Zeit zu geben, den Mech abzukühlen. Als er plötzlich
von Einschlägen durchgeschüttelt wurde. Der Dracon war nah dran...
Und hatte dem KHM einen kleinen Willkommensgruß gesandt. Arnulf
blickte nach rechts... Verdammt, wo blieb Claudia?? Die Wespe war noch
am Leben, wenn auch offenbar nur auf Raten. Und feuerte ihren Laser gegen
den Kriegshammer ab... Traf an der Seite, wich hinter einen Felsen aus.
Wellerbein schüttelte sich, wendete, aktivierte alles und visierte
den Dracon an... Neben ihm hatte sich der Kamptitan in eine akzeptable
Position gebracht um zuzuschlagen, aber der wendigere Jenner wich jedes
Mal gekonnt aus... Leutnant Mensson schaffte es irgendwie, in seiner Hornisse
den Panther zu binden und der Kampfschütze ließ den Kreuzritter
nicht vorbei... Wellerbein schoss. Einige Raketen gingen daneben, ein
Laser und eine PPK bohrte sich in den Felsen neben dem Dracon. Die Wärmeskala
in dem Hammer schoss augenblicklich hoch. Arnulf glaubte, Feuer einzuatmen.
Als sich plötzlich drei Mechs - dem Hauptmann erschienen sie in diesem
Moment wie Engel - über das Kampfgebiet senkten und landeten... Der
Derwisch und der Dunkelfalke begannen sofort, gegen den Dracon vorzugehen
und der Greif blieb neben dem Kriegshammer stehen. Wenige Sekunden lang
hörten sie noch die Explosionen, dann herrschte Stille... Wellerbein
sah sich um und hörte plötzlich die Kapitulationsnachricht des
draconischen Kommandeurs auf seinem Kom. Während die Sensoren des
Hammers meldeten, dass sämtliche Mechs der Draconier ihre Waffen
herunterfuhren und stehen blieben... Wellerbein lächelte vergnügt
und bellte in sein TakKom, die VSDK nicht mehr anzugreifen, als sich Claudia
auf einer sicheren Leitung meldete: "Na, Arni, ich hab dir doch gesagt,
dass wir besser sind als die..."
Er wollte etwas erwidern, sah aber plötzlich in seinen Augenwinkeln,
wie die Wespe aus ihrer Deckung hervorkam und feuerte. Sie schoss zwar
daneben, aber es war genug Feindseligkeit in diesem Akt... Die restlichen
draconischen Mechs blieben regungslos stehen und Wellerbein hörte,
wie der draconische Kommandeur etwas auf Japanisch über die Außenlautsprecher
der Wespe zurief, als sich der Greif regte und gemächlich lostrabte...
"Claudia, was soll das?"
"Ich hol mir diesen Dreckshund..."
"Keine gute Idee... Der Derwisch ist dafür besser geeignet..."
Der Greif war bereits um die Ecke verschwunden... Arnulf fluchte in sein
Kom und schaltete auf den Einheitskanal um: "Oberleutnant Woitila,
Sie übernehmen hier solange... Ich sichere Smithener. Sollten sich
die VSDK einmal bewegen, warnen Sie sie. Bewegen sie sich ein zweites
Mal, wegfegen!
Wenn Sie ihre Waffen hochfahren, ohne Vorwarnung zusammenschießen!"
"Verstanden, Hauptmann."
Er beschleunigte seinen Kriegshammer, lief um die Ecke und sah die beiden
Mechs in einiger Entfernung, an einem Abhang stehen, wie sie sich in Nahkampfentfernung
umschlichen...
"Claudia, verdammt! Weg von dem Abgrund!!"
Die Wespe drehte sich zu dem schweren FrontMech, dann wieder zum Greif,
stand kurz still, beschleunigte aus dem Stand und rammte den Greif in
vollem Lauf... Die beiden Mechs schwankten einen Moment, dann stürzten
sie die Wand hinunter.
Wellerbeins Schmerzschrei endete erst nach einigen Sekunden - als er beide
Maschinen zerschmettert auf einem Felsvorsprung dreihundert Meter tiefer
liegen sah. Dann begann er leise zu weinen...
Oberst James
Arkinson saß über einige Unterlagen gebeugt in seinem Stuhl,
als Wellerbein eintrat. Arkinson sah kurz hoch, legte seine Unterlagen
zur Seite und nickte dem Hauptmann zu. Wellerbein salutierte und blieb
stehen.
"Setzen Sie sich, Hauptmann." Kommentierte der Oberst und wies
seinem Untergebenen den Stuhl an, der ihm gegenüber stand. Er kramte
kurz in einer Schublade seines Arbeitstisches und ließ einen Zwanzig-Seiten-Bericht
auf den Tisch fallen. Dann wandte er sich wieder dem Hauptmann zu: "Ich
habe Ihren Bericht gelesen..."
Er seufzte kurz, stand auf, verschränkte seine Arme hinter seinem
Rücken, ging an sein Zimmerfenster und sah hinaus... Ein malerischer
Ort, wunderschöne Berghänge weit im Norden, ein Fluss, der sich
zwischen der kleinen Stadt hindurchschlängelte und weite, unentdeckte
Wälder... Vielleicht so 25° C. Sommer...
Arkinson erhob seine Stimme: "Sie waren mit Ihrer Kompanie seit Beginn
dieser Offensive durchgehend im Einsatz. Ihre Leistung während des
anfänglichen und entscheidenden Angriffes war bemerkenswert, genauso
wie Ihr Können in den Folgegefechten... Ich war mehr als überrascht,
als ich Ihren Bericht gelesen habe..."
Er setzte kurz ab, drehte sich und sah dem Hauptmann in dessen Gesicht:
"Ich habe die teilnehmenden MechKrieger, sowohl die Ihrer Einheit
als auch die gefangengenommenen VSDK, befragt. Alle bestätigten,
dass Sie auch in diesem Gebirgsgefecht hervorragende Arbeit geleistet
haben und der Verlust des Greifen und Oberleutnant Smithener nicht zu
verhindern war. Man hat Sie gewissermaßen von den Vorwürfen
frei gesprochen, die Sie in Ihrem Bericht gegen sich selbst erhoben haben."
"Aber..."
Arkinson hob seinen Finger und brachte Wellerbein zum Verstummen: "Schweigen
Sie! Sagen Sie, Sie waren doch mit Oberleutnant Claudia Smithener liiert,
oder nicht?"
Arnulf nickte still. Und fühlte wieder den Kloß in seinem Hals.
"Und Sie haben diesen Bericht noch am selben Abend nach dem Kampf
verfasst?"
Wellerbein nickte wieder. Der Oberst redete weiter: "Dann wollen
wir diesen Bericht ganz schnell vergessen. Oberleutnant Woitila hat an
Ihrer Stelle vor einigen Stunden einen zweiten Bericht verfasst, der sich
deutlich anders liest und durch die Aussagen aller Beteiligten, auch durch
die der Draconier, bestätigt wurde..."
"Kein Kriegsgericht?" flüsterte Wellerbein.
Der Oberst lachte leise: "Nein, kein Kriegsgericht! Sie und Ihre
Einheit bekommen fünf Tage Fronturlaub. Erholen Sie sich etwas und
versuchen Sie, die letzten Wochen zu vergessen. Ehrlich gesagt, war es
unverantwortlich von mir, Sie sieben Wochen durchgehend im Kampf zu halten.
Das war eine enorme psychische Belastung..."
"Aber... Ich habe versagt..."
"Halten Sie Ihren Mund!" kommentierte Arkinson trocken. "Es
geht übrigens bald weiter."
"Oberst?"
"Sie waren nicht der einzige, der die VSDK in den letzten Tagen schlagen
konnte. Wir haben die meisten draconischen Widerstandsnester ausgehoben
und zerschlagen. In acht Tagen geht´s weiter nach Aubisson. Wir lassen
hier etwa drei Bataillone zurück, die Camlann sichern sollen... Der
Rest wird auf Aubisson noch mehr Drachen töten... Sie bekommen wieder
eine volle Kompanie. Die Verluste, die Ihre Einheit bislang verkraften
musste, werden durch neue Mechs ausgeglichen..."
"In Ordnung, Sir."
"Gut... Eh... Und Hauptmann... Ich denke, ich kann mir vorstellen,
welche Gefühle Sie gerade haben und wie Sie sich fühlen, so
was machen wir leider alle mal durch. Aber ich muss Sie leider bitten,
sie zu vergessen. Wir werden uns auf Aubisson keine Kompaniekommandanten
leisten können, die vor Trauer das Kämpfen vergessen..."
Wellerbein sah ihn kurz an und nickte dann: "Aber tun Sie mir bitte
einen Gefallen... Bergen Sie Claudias ...Körper. Ihre Familie würde
es sicher gerne sehen, wenn man ihr Grab nicht nur mit einer
Flagge füllen könnte..."
Arkinson überlegte kurz: "Ist in Ordnung... Sonst noch was?"
"Nein, Herr Oberst."
"Gut. Wegtreten!"
Wellerbein seufzte tief durch, wischte sich eine Träne aus dem Auge
und verließ die Klippe in Richtung Friedhof. Er versuchte, seine
Gedanken zu verscheuchen, aber hier und jetzt, an ihrem Todestag nach
dem Kalender von Camlann, vor ihrem Grab gelang es ihm nicht.
Er hörte Schritte hinter sich. Ohne sich umzusehen flüsterte
er: "Du kommst spät, Sandra."
"Und du bist wie immer früh, Arni..."
Er sah sich um und blickte in das Gesicht von Sandra Karlinger, die damals
den Derwisch geführt hatte. Claudia und Sandra waren damals schon
länger Lanzenkameraden gewesen und hatten sich wie Schwestern verstanden.
Sie schwiegen einen Moment.
Dann flüsterte Arnulf heißer: "Weißt du, ich habe
immer nur das Beste gegeben, war immer voll da, hab meinen Verantwortung,
euch lebend wieder zurückzubringen, immer über alles andere
gestellt.
Und nur ein einziger Pilot ist unter meinem Kommando jemals gestorben...
Und das war sie..."
Sandra trat wortlos an ihn heran und legte ihren Arm beruhigend um ihn.
Arnulf kämpfte seine Tränen
nieder und brachte seine Stimme wieder unter Kontrolle: "Ich würde
jederzeit euer aller Leben geben, um auch nur eine Minute länger
mit ihr zu haben..."
Sergej wartete
geduldig in dem kleinen Vorzimmer. Ellen saß neben ihm und blickte
ihn noch einmal an: "Und du willst das wirklich machen?" Ihre
Stimme hatte immer noch einen leicht säuerlichen Klang.
Sergej sah zurück: "Ellen, ich lebe für das!"
"Hm, zu schade, dass du den Nagelring dann nicht geschafft hast."
Er zuckte wie unter einem Schlag zusammen und plötzlich zuckte auch
Ellen zusammen: "Sorry... Tut mir leid... Ist mir rausgerutscht...
Ich wollte nicht..."
Plötzlich öffnete sich die Zwischentür und ein kleiner,
untersetzter Mann trat ein.
"OK, Herr Zito. Er wäre dann soweit..."
Sergej schien sofort das Interesse an Ellen zu verlieren, nickte dem Mann
zu und ging den Weg entlang, den der Fremde geöffnet hatte. Dieser
wandte sich an Ellen: "Folgen Sie mir bitte."
"Eh, wollen Sie ihn nicht begleiten?"
Der Fremde grinste kurz: "Och, Sergej kennt den Weg..."
Er führte Ellen in eine gläserne Lounge, die außerhalb
des Gebäudes angebracht war und Ausblick auf ein kleines, scheinbar
unberührtes Seitental gestattete. Hier am Stadtrand von Tharkad City
gab es mehrere dieser Landstriche, die der Bevölkerung als Naherholungsgebiet
diente. Dieses Tal hier war Schauplatz eines ganz besonderen ´Sportes´...
"Setzen Sie sich ruhig." Kommentierte der Mann und setzte sich
an einen Tisch, auf dem einige Monitore, Scanner, Analysegeräte und
ein Kom-Gerät standen. Ellen setzte sich in einen bequemen Sessel,
an dessen Seite ebenfalls einige Geräte montiert waren, sowie ein
Funkgerät.
"Warten Sie noch etwas..."
Und Ellen wartete. Vor ihr standen einige Getränke und Chips auf
einem Tisch und sie bediente sich. Eher aus Langeweile...
Einige Minuten
später fühlte Ellen etwas Schweres auf sie zu kommen, etwas,
das den Boden zum Zittern brachte. Ihre geheimsten Alpträume wurden
wahr, als sie die exotische und ungewöhnliche Form des Marodeurs
vor sich auftauchen sah. Der Gedanke, dass Sergej dieses Monster steuerte,
beruhigte sie etwas, widerte sie zugleich aber auch an.
Der Mann neben ihr aktivierte sein Kom: "Sergej? Hörst du mich?"
"Ja, Jerry! Klar und deutlich!" tönte die vor Glück
zitternde Stimme von Ellens Freund durch die Lautsprecher der Lounge.
"OK... Dreh nicht durch, ja?" lachte Jerry leise.
"Hm... Wieso denn?" feixte Sergej.
Jerry wurde ernst: "Ich hab´s dir doch schon erklärt! Du steuerst
hier keinen SchauMech wie unsere anderen Modelle, sondern einen richtigen
Mar-5D! Richtige Sprungdüsen, Sensoren, Wärmetauscher - und
echte Waffen! Also krieg dich wieder ein. In dem Cockpit von diesem Monstrum
wären schon einige meiner Gäste durchgedreht, weil sie das Hochgefühl
nicht vertrugen..."
Ellen wandte sich schockiert an den untersetzten Mann: "Eh, bitte??
Das ist ein echter BattleMech??"
Jerry nickte: "Ja, aber keine Angst, ich kann von diesem Kontrollpult
hier alles ab- oder einschalten, was ich will. Der Pilot ist nur solange
autonom wie ich das für klug halte. Im Notfall kann ich den ganzen
Mech auch stilllegen."
"Hm, OK... Aber ich dachte, Sie vermieten nur SchauMechs, die gerade
einmal gehen können."
"Normalerweise. Aber den da..." er deutete auf den Marodeur,
"...vermiete ich auch nur an ganz besondere Kunden. Auch nur für
die Hälfte der maximalen Zeit..."
Etwas piepste auf. Sergej meldete sich... "Sag mal Jerry, meinst
du, ich könnte mal eine PPK..."
Jerry grinste kurz: "Vergiss es! Wenn du auch nur eine Waffe aktivierst,
leg ich dich sofort still."
"Und die Sprungdüsen?"
"Die sind OK..."
Sergej schaltete ab, stand einen Moment still und beschleunigte dann aus
dem Stand, rannte das Tal herab, wendete und steuerte den Mech zurück.
"Was tut er da?" fragte Ellen verwirrt.
Jerry sah kurz auf: "Er gibt ihm etwas Auslauf, lässt ihn warmlaufen."
"Hm... Blöder Sport..." flüsterte Ellen.
Jerry sah sie an und lächelte: "Sie mögen keine Mechs?"
"Ja."
"Haben Sie´s mal versucht? Ich denke, ich hätte für den
Anfang genau das richtige für Sie. Ein völlig ungefährlicher
Dunkelfalke mit vergrößerten Cockpit. Sie können da als
Copilot mit rein... Und dann vielleicht was leichtes... Ein großer
AgroMech, den Sie dann mal selbst steuern können."
Sie schüttelte ihren Kopf: "Nein danke... Kein Interesse."
"Hm... Dann werden Sie Sergej aber nie verstehen."
Ellen sah ihn fragend an und Jerry redete weiter: "Die Faszination,
einen Mech zu steuern können Sie erst dann richtig nachvollziehen,
wenn Sie mal selbst ein paar Tonnen unter dem Hintern hatten..."
Jerry wendete seinen Blick und sah dem Marodeur zu. Er verfiel in Schweigen,
dann flüsterte er:
"Erst recht, wenn es 75 Tonnen reine Bösartigkeit sind... Dieses
Machtgefühl kann man einfach erst dann verstehen, wenn man es erlebt..."
Der Marodeur wendete wieder, beschleunigte und sprang... Sergejs lauter
und ungezügelter Siegesschrei donnerte durch das Kom... Bis der Mech
sich wieder senkte und durch seine Landung die Erde zum Beben brachte...
Adrenalin I - Kapitel 08 - Abwesend: Sitzung
05.04.2023
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