Adrenalin I - Kapitel 03 - Herz As

05.04.2023

Sitzung Drei: Herz As
Tharkad City, Tharkad
Mark Donegal, Vereinigtes Commonwealth
29.5.3054
(9.10.2002 - 13.10.2002)

July Wallace ging einsam und verlassen durch die Straßen der Stadt. Die hübsche und farbige 19-Jährige war erst vor drei Wochen auf diesen kalten und verschneiten Planeten gekommen und hatte seitdem verzweifelt die ´herrliche Einsamkeit und den wilden Glanz´ dieser Arktis- und Subarktiswelt
gesucht.
Es war dunkel, obwohl es erst halb sechs war. Planetologisch gesehen war nun mal noch nicht Sommer, obwohl vor drei Tagen ein Hochdruckgebiet eher aus dem Nichts über ihren Köpfen aufgetaucht war und ihnen nun Temperaturen bis an die 10° Celsius bescherte. July fand es nicht so wahnsinnig lustig. Als jemand, der von einer blühenden - und vor allem warmen - Agrarwelt wie
Bountiful Harvest kam, war sie andere Temperaturen gewohnt. Hätte die Uni Tharkad nicht diesen hervorragenden Ruf gehabt - nichts hätte sie hierher gebracht.
Sie bog um eine letzte Ecke, dann stand sie vor dem Hauseingang und drückte die Klingel. Es dauerte einige Sekunden, dann öffnete man ihr. Ellen Patrikson stand freudestrahlend im Türrahmen.
"Hi!"
"Hi... Die Schwebebahn hatte etwas Verspätung und dann war kein Taxi mehr da, na ja, da musste ich zu Fuß gehen... Ich hoffe, du wartest noch nicht allzu lange."
Ellen lächelte kurz: "Nein, Quatsch. Is doch überhaupt total nett, dass du überhaupt vorbei kommst."
Ellen geleitete ihren Gast in ihre Wohnung... July war sofort aufgefallen, dass Ellen luftig gekleidet war. Die große Schwarzhaarige, die eine ganz nette Figur hatte und wunderschöne braune Augen, trug nur eine lange rote Leinenhose, ein rotes T-Shirt und dicke schwarze Socken. Als July von dem ziemlich eiskalten Gang in Ellens Reich glitt, schlug ihr eine regelrechte Hitzewelle entgegen. Ellen grinste sie an: "Ich bin total verfroren."
July lächelte kurz, zog sich ihre Straßenschuhe und ihre dicke Jacke aus und ließ sich neben Ellen auf die große Couch fallen...

Als July - einige Stunden später - wieder auf dem Heimweg war, war sie auf dem Laufenden, was die Uni, die Dozenten, Studenten... na ja, ganz Tharkad City betraf. Ellen war hier zwar nicht geboren worden, nicht mal auf diesem Planeten, wusste aber einfach immer, was gerade überall geschah. Die beiden hatten etwas gebraucht, um das Eis zu brechen, aber als es dann soweit war, hatte Ellen angefangen, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Bei heißem Kräutertee und Sesamplätzchen... Eine Spezialität an langen und dunklen Tharkad-Nächten - irgendwie musste man sich ja bei Laune halten. Sagte zumindest Ellen. Aber wenn July schon allein daran dachte, dass sie von den Plätzchen dick und fett wurde - ganz unkontrolliert, denn auf einem Planeten wie diesem waren dicke Rollkragenpullover der Modetrend Nummer Eins und nicht hauchdünne Shirts - dann kam sie überhaupt nicht in Laune.
Ellen stammte von einem Planeten namens Eutin, ziemlich nahe an Tharkad. Der Planet war eine einsame Ödwelt, mit unwirtlichen Gebirgsketten und weiten Wüsten, sowohl Hitze- als auch Kältewüsten. Die wenige Bevölkerung, die dort lebte, war in großen Teilen verarmt oder fristete sein Dasein als zweitklassige Händler oder Schmuggler. Ellen war aus der ersteren Sorte Mensch emporgestiegen, ihre Familie war schon, seitdem sie nach Eutin ausgewandert war, arm gewesen.
Und dennoch hatten ihre Eltern die Vision gehabt, dass es ihrer Tochter einmal besser gehen sollte. So hatte man alles Geld, das finden konnte, zusammengesammelt, sie in ein Landungsschiff gesteckt und nach Tharkad geschickt. Das erste Jahr hatte sich die damals 20-Jährige mit allem Möglichen herumgeschlagen. Studieren hatte sie damals angesichts des großen Abenteuers ´Tharkad´, in das sie eher ungewollt gestolpert war, noch nicht wollen und so hatte sie sich nach anderen Stellen umgesehen. Zwei Monate hatte sie am Raumhafen gearbeitet, einige Wochen als Kellnerin in einem ziemlich herunter gekommenen Spelunke, dann als AsTech in einer Radiostation, als Praktikantin bei einer Zeitung, und so weiter... Nach einem Jahr hatte sie sich dann in der Uni Tharkad eingeschrieben...
July erreichte den Bahnhof der Schwebebahn. Sie blickte kurz auf den Zeitplan. Hm. In zwanzig Minuten ging der nächste Zug in die Innenstadt. Gut... Sie setzte sich auf eine der Wartebänke. Strich sich ihre glatten brünetten Haare noch glatter und versteckte ihren Hals und ihren Kopf noch tiefer in ihrer Jacke...
Ellen hatte ihr auch genügend über die berühmtesten oder peinlichsten Beziehungen auf dem Campus erzählt. Welcher Prof mit welcher Assistentin und welche Mitarbeiterin schon mit welchem Studenten hatte. Dinge, die man natürlich wissen musste. Am Interessantesten war es geworden, als Ellen und sie über die momentane Beziehungslage in der noch jungen Clique geredet hatten. Fakt war, dass Pedro und Samantha sich langsam näher kamen und die Sache vielleicht schon die nächsten Tage heiß werden konnte. Sergej war so etwas wie ein Pseudo-Einzelgänger, aber er schien ein Auge auf Ellen geworfen zu haben, ähnlich wie John, was nun aber bekannt war. Ellen hatte ihr versprochen, sie sofort über Visiophon zu verständigen, falls sich näheres ergeben würde... Und für sie blieb der schnuckelige, stets höflich und korrekte Nihongi. Falls er Interesse zeigte... Hach, das Studentendasein war schon wirklich kompliziert...

Zwei Tage später betrat sie mit einem lieblichen Lächeln und viel zu motiviert für einen Donnerstag Morgen die Wellerbein-Vorlesung. Der sah sie nicht an... Nun, dass an der Uni hin und wieder Leute zu spät kamen, schien eine Alltäglichkeit zu sein, die niemanden mehr störte. July setzte sich mit einem kurzen Lächeln neben Samantha und begann dann, ihrem Dozenten zu lauschen...
Der hatte bereits angefangen und war bereits kurz davor, voll in seine heutige Geschichte einzusteigen.
"Also wie gesagt, der Planet heißt Necromo, Herzogtum New Sagan, Grenze capellanische Konföderation - Vereinigte Sonnen... Zumindest waren sie das damals noch..."
July wandte sich kurz an Sam und fragte leise: "Worüber geht´s denn heute?"
"Flugabwehr." Kam die kurze und geraunte Antwort.



Das Neujahrsfest des Jahres 3032 hatte bisher kaum Gutes gebraucht. Die Konföderation hatte sich noch immer nicht vom 4.Nachfolgekrieg und seinen grausamen Verlusten erholt, immer noch hing eine Art stinkendes Totentuch über Capella, das nur darauf wartete, gehoben zu werden, damit sich die Aasgeier an Capella und dem himmlischen Thron auf Sian bedienten. Wieder einmal. Und damit nicht genug: Die geheime Wartungsanlage hier auf Necromo war seit einigen Tagen auch nicht mehr geheim. Auch offiziell nicht. Ein Überfallkommando der AVS, die den verhassten Daviongestank auf diese erleuchtete capellanische Welt brachte, hatte die Reparaturanlage für die Landungsschiffe gefunden und die Information vermutlich schon längst weiter nach New Avalon gefunkt...

Der Planet war einfach bildschön. Li Guyen, die Kommandantin der ´Heart Aces´ im Rang eines Commanders, liebte die sanften Hügel des Planeten, seine friedliche Gestalt, die ruhigen Flüsse und die sanft steigenden Gebirge, sowie die dunklen und malerischen Mischwälder... Und nun war die AVS hier, um auf dem was sie von der Konföderation übrig gelassen hatten, herumzutrampeln.
Narai hatte geschworen, dass er sie alle einzeln töten würde... Li hatte nur kurz gelächelt. Narai T´ing, ihr Subcommander und Gefährte, hatte oft genug solche emotionalen Anfälle. Und doch hatte er recht, die Davies mussten getötet werden. Alle. Ausnahmslos. Li hatte eigentlich nichts persönliches gegen die Vereinigten Sonnen, sie hatte sogar einen guten Bekannten auf New Syrtis, aber seit dem 4.Nachfolgekrieg... war das alles belanglos. Persönliches musste zurückstehen und das Wohl des capellanischen Volkes stand im Vordergrund. Und die Vereinigten Sonnen waren der Feind des capellanischen Volkes. So einfach war das...
Roberta Koa-feng, ebenfalls Subcommander und letztes Mitglied der JägerLanze ´Heart Aces´ hier am Rande der Wartungsanlage hatte mit ihrem Transit die feindliche Einheit einige Male überflogen und wichtige Informationen zu deren Vernichtung gemacht. Unter normalen Umständen bestand eine Lanze Raumjäger aus vier Maschinen... Nicht so hier auf Necromo, nicht so hier in der Konföderation Capella... Der erlauchte Thron auf Sian war arm - an Ressourcen aber auch an Verstand. Und so hatte der Quell aller Weisheit, die göttliche Lady Romano Liao, die ihre Feinde zertrümmern möge, beschlossen, dass capellanische JägerLanzen nur noch zu dritt operieren durften...
Li war auf dem Planeten Capaca groß geworden, zwischen den Ruinen von zerstörten Städten, hatte zwischen ausgeschlachteten Mechs, Blindgängern und Tretminen gespielt. Hin und wieder kamen Truppen der LFW vorbei, um die Capellaner daran zu erinnern, dass die Zeiten hart waren. Und blieben. Aber die Angreifer waren jedes Mal wieder verjagt worden, wenn auch jedes Mal nur mit immensen Anstrengungen. Li hatte noch während ihrer Kindheit Roberta kennen gelernt und eine, so schien es ihr, echte Freundschaft mit ihr aufbauen können. Als die beiden sechzehn Jahre alt wurden, kam die Zeit der Tests. Beide hatten Erfolg und so wurde im Namen der göttlichen Größe des capellanischen Volkes beschlossen, sie auf die Kriegsakademie von Sian zu schicken, damit sie dort
das Fliegen von Raumjägern erlernen sollten. Während dieser Zeit hatten die beiden, damals die unzertrennbarsten Freundinnen, Narai kennen gelernt. Narai stammte direkt von Sian und verdrehte nicht zuletzt mit seinem Charme und der Arroganz eines Menschen, der im Zentrum der capellanischen Macht aufgewachsen war, die Köpfe der beiden Frauen.
Und nun waren sie hier, in ihrem dritten Jahr als Jagdpiloten. Li hatte den Kampf um Narai gewonnen, nicht zuletzt wegen ihrer äußeren Erscheinung, die sie hin und wieder wie hübsche buddhistische Göttin erscheinen ließ. Roberta hingegen war nicht schön. Sie war kleingewachsen, hatte aber zu lange Beine, viel zu große Füße und nicht zuletzt ein völlig langweiliges Gesicht. All das hatte es Li ziemlich leicht gemacht, Narai für sich zu gewinnen. Dass er überhaupt zwischen den beiden hin und her geschwankt war, war auch eigentlich nur das Resultat von Robertas Wesen, ihrer Friedfertigkeit und ihrem Humor. Und ihrer Intelligenz. Aber Li war gerissen und hinterhältig genug gewesen, das alles zu überspielen. Und so hatte die Schönere der Beiden den Mann bekommen. Um Roberta hatte es
Li ehrlich leid getan, aber - sie wollte Narai! Als dann auch noch Li und nicht Roberta zum Commander befördert worden war, zerbrach Robertas Widerstand völlig. Komischerweise hatte Roberta nicht begonnen, Li dafür zu hassen, sie war stattdessen in eine stille Welt der Apathie eingetaucht, die aber noch Platz für ihre alte Freundschaft. Der Unterschied war nun der, dass Roberta
wusste, wann sie zu gehen hatte, wann die beiden Geliebten alleine sein wollten...
Es zerbrach Li jedes Mal wieder das Herz, wenn sie ihre alte Freundin leise davon schleichen sah, traurig, frustriert und mit einem melancholischen Lächeln auf dem Gesicht und dem geflüsterten Kommentar: "Macht euch ruhig eine schöne Nacht."
Aber so war das nun mal im Leben. Es gab Gewinner und es gab Verlierer.

An diesem Abend stand Li auf dem Rollfeld der Jäger... da waren natürlich mehr Hangars als nur für die drei Transits. Eine volle Staffel, bestehend aus Beschützer, eine andere aus Hubschrauber, befanden sich auch noch hier. Aber der eigentliche Schatz dieser Anlage, das waren die drei Raumjäger. Konventionelle Maschinen konnte man billig herholen lassen oder einfach umbauen, aber diese Babys hier waren mehr als was besonderes. Auch wenn man daran dachte, dass die Davies den Fehler gemacht hatten, ohne eigene Jäger anzugreifen. Vermutlich hatten sie nicht damit gerechnet, hier bei einem reinen Beutezug auf eine vollbesetzte Wartungsanlage zu treffen, die dazu noch ganz passabel verteidigt wurde. Die Panzer und Mechs der Capellaner hatten ihren Feind seit zwei Tagen weitab der Anlage an einem langgezogenen See im Westen, vor einem der Gebirge gestellt. Die Infanterie und Flugzeugverbände blieben noch weiter hier, um die Anlage zu sichern.
Li stand da... genoss die Stille des Abends, das laue Lüftchen, das von Süden herüberwehte. Jemand trat leise an sie heran. Li musste sich nicht umsehen um zu erkennen, dass es sich dabei nur um Roberta handeln konnte. Ihre Freundin hatte eine gewisse Eleganz in ihren Bewegungen und nicht zuletzt die Fähigkeit, sich leise zu bewegen. Etwas, das selbst hier, bei regulären Einheiten, erschreckend wenige beherrschten. Aber das Leben auf Capaca hatte sie dazu erzogen, sich leise und geschmeidig zu bewegen. Die Schritte blieben hinter ihr stehen und Li konnte den frischen Geruch von nassen Haaren und eines dezenten Duschgels riechen.
"Ja? Gibt´s was, Ro?"
"Ich hab den Bericht hier."
"Ja. Gut gemacht, Roberta. Noch was?"
"Hm... Ja, steht in dem Bericht... Die haben zwei Kampfschützen dabei."
Li drehte sich um. Sah Roberta in ihre Augen... Ihre Freundin hatte genauso wie sie selbst, kurze schwarze Haare und asiatische Gesichtszüge. Sie trug eine lange dunkelgrüne Trainingshose und ein kurzes, hellgrünes Shirt, auf dem das Hauszeichen der Liaos prangte: Das nach untengedrehte grüne Dreieck mit dem Mecharm, der einen Säbel hielt. Dazu noch die Einheitsunterwäsche und passende weiße Turnschuhe. Standarduniform, die das capellanische Militär für Situationen wie diese, Ruhepausen, vorschlug. Li hingegen trug eine deutlich individualisierte Form: ebenfalls dunkelgrüne Hose, ein rotes T-Shirt, darüber eine kurze Jacke mit dem Liao-Banner, keine Unterwäsche und barfuss. An ihrem rechten Hosenbein trug sie außerdem noch einen Holster mit ihrer Nadler... Man konnte ja nie wissen, was so alles geschah. Li mochte diese Art der Kleidung lieber, liebte sie geradezu und seitdem sie festgestellt hatte, dass Narai auch ziemlich darauf abfuhr, trug sie es noch lieber. Ihr vorgesetzter Kapitän, sowie der zuständige Major der Anlage schienen kaum Interesse an ihrer bevorzugten Freizeitkleidung zu zeigen und so war es in Ordnung...
"Zwei Kampfschützen..." wiederholte Li leise, scheinbar in Gedanken versunken... "Das verkompliziert das Ganze natürlich immens... Gut. Du kannst wegtreten, Subcommander!"
Roberta blieb weiter stehen und Li sah sie fragend an. Dann lächelte Ro schüchtern:
"Hast du mal wieder Lust, was zu unternehmen?"
Li sah sie verwirrt an. Ro redete weiter: "Naja, durch die Anlage ziehen... Stundenlang MahJongg spielen... So was?"
Plötzlich lachte Li amüsiert auf: "Aber ja! Gerne!"
Und bevor sich Roberta sich´s anders überlegen konnte, hatte Li sie schon am Arm gepackt und ging mit ihr in Richtung Wald...

Sie kamen spät nachts wieder zurück, hatten sich etwas die Gegend angesehen, den Wald, das Unterholz, die paar Trampelpfade und die ein oder zwei Wiesen, auf denen Obstbäume standen.
Äcker hätten sie sich auch gerne angesehen, aber die gab es nicht. Die gesamte Bevölkerung von Necromo, so um die fünftausend Personen, arbeitete in der Anlage und wurde von außerhalb ernährt. Die paar wenigen Obstwiesen dienten lediglich das Hobby einiger irrer Arbeiter, die wohl keinerlei Einfluss auf die gesamte Ernährungssituation machen konnten. Als sie die Anlage wieder betraten, kamen ihnen einige betrunkene Techs entgegen, eigentlich gute Leute, aber seit dem völligen Zusammenbruch der Capellaner in 4.Nachfolgekrieg hatten sie kaum einen Tag mehr nüchtern erlebt.
Der befehlshabende Kapitän hatte nur kurz mit seinen Achseln gezuckt, hatte die betreffenden Techs auf Stellen versetzt, wo sie auch sturzbetrunken nichts anrichten konnten. Dann hatte er die wichtigen Posten an andere, nüchterne Techs vergeben...
Die Nacht verlief so wie viel zu viele Nächte in der Kasernenstube der drei Piloten verliefen: Li und Narai vergnügten sich und Roberta schlich sich davon, schluchzte, weinte tonlos... Aber dieses Mal war da etwas anders, das fühlte Li.

Die Nacht ging vorbei und mit den ersten Sonnenstrahlen standen die drei beim Morgenappell. Ihr kommandierender Kapitän teilte ihnen in seinem sachlichen, kalten Ton mit, dass heute der Angriff gegen die Davies ausgeführt werden würde. Die capellanischen Mechs und Panzer hatten den Feind in eine Position gezwungen, in der er gut angreifbar für Flugzeuge war. Die Jäger mussten nur noch durchgecheckt werden, dann konnte es losgehen. Etwa zwei Stunden...

Nach ein bisschen mehr als diesen zwei Stunden begaben sich die drei Transit-Piloten in ihren Hangar, stiegen ein und starteten ihre Maschinen. Da sah Li es... Sah, was Roberta während der letzten Nacht getan hatte. Auf der linken Flanke von Robertas Raumjäger prangte ein Spruch:
Man, fear thyself, thine arrogance and vanity and pride!
Ro hatte den Spruch mit einer vollen blutig roten Farbe auf ihre Maschine aufgetragen. Li hatte einige Male vorher versucht, mit ihr zu sprechen, aber Ro hatte sie nicht zu Wort kommen lassen. Als Li diesen Spruch zum ersten Mal gelesen hatte, hatte sich etwas in ihrem Innersten zusammengezogen - und sie hatte fühlen können, wie ihr Herz zu bluten anfing.

Die drei Transits rollten aus dem Hangar, auf die Startbahn, ließen noch kurz die Triebwerke heiß laufen und warteten, bis alle Anzeigen auf ´OK´ standen.
Li startete als erste, dann Roberta, die sich links von ihrem Commander einreihte, dann Narai, der seine Position rechts von Li hatte.
Li aktivierte ihr TakKom: "Gut, sieht alles ganz nett aus. Der Wetterbericht meldet keine größeren
Schwierigkeiten, Sonnenschein, hervorragende Sicht, leichter Wind aus Süden über dem Kampfgebiet.
Die Davies befinden sich am Ende eines Sees, direkt hinter einer kleinen Kuppe und einem Waldstück. Wenn wir in den Tiefflug gehen, können wir sie überraschen. Fragen?"
Stille im TakKom.
"Gut. Hart Aces One Ende."

Es dauerte keine fünf Minuten, als die drei Jäger plötzlich nur noch wenige Sekunden von ihren Gegnern entfernt waren. Li hatte Angriffsmuster Vier angeordnet, eine extrem sichere Variante, wenn man eine Bodeneinheit vor Ort hatte, die die Position des Feindes an einen weiterleitete... Li hatte diese Position an ihre beiden Subcommander weitergegeben und wartete nun nur noch darauf, dass die drei Jäger über die Kuppe donnerten...
Der Angriff lief nicht wie geplant. Offenbar hatte der AVS-Kommandeur Eins und Eins zusammengezählt, vor allem als er den capellanischen Mech gesehen hatte, der offenbar nur Daten weitergefunkt hatte. Als er dann noch die momentane Situation seiner Truppe analysiert hatte, war ihm die Falle wohl klar geworden.
Es war nur der Schnelligkeit der drei Jäger zu verdanken, dass die meisten Schüsse daneben gingen. Allerdings gingen die vorbereiteten Salven der Jäger, die auf eine Position eingestellt waren, die es jetzt nicht mehr gab, auch beinah alle daneben. Nur zwei von Narais mittelschwere Laser trafen und brannten einer Valkyrie zwei hässliche Narben in ihre rechte Schulter, beziehungsweise in ihr rechtes Bein. Einer der Kampfschützen hämmerte eine AK-Salve in das Heck von Li´s Maschine. Eine PPK und zwei schwere Laser gingen knapp an Robertas Bug vorbei und von einem Regen aus LSR und KSR, der auf Narais Transit herabging, trafen glücklicherweise nur wenige. Die drei Jäger drehten rechts ab, stiegen in eine sichere Höhe...
"Scheiße..." murmelte die schweißgebadete Li, als sie das TakKom aktivierte: "Weiß jemand, wo die beiden Kampfschützen stehen??"
Die Antwort kam sofort, von Roberta: "Hinter dem Rest, zentral hinten..."
"Also da, wo wir nur dann hinkommen, wenn wir uns zuerst zu Tode rösten lassen." Flüsterte Li leise.
"Möglichkeiten?" fragte sie laut in das Kom.
"Rückzug und die Mechs die Drecksarbeit erledigen lassen."
"Und wer soll dann die hohen Verluste unter den Mechs erklären? Du?"
"Die Beschützer und die Helis angreifen lassen?"
"Verluste unter den Flugzeugen?? Noch schlimmer!"
Roberta schwieg und plötzlich meldete sich Narai: "Könnten die Mechs nicht die Sensorschüsseln der Kampfschützen wegschießen?"
Schockierte Stille. Dann lachte plötzlich Roberta laut auf: "Manchmal frage ich mich schon, wie du deine Pilotenausbildung geschafft hast... Flieg einfach und schieß, aber bitte halt deine Klappe!"
Li lächelte kurz - und pflichtete Roberta im Stillen zu. Die Sensorschüssel eines Mechs, sogar die überdimensional großen Sensorschüsseln von Kampfschützen, zu treffen, war nicht möglich.
"Also müssen die beiden Kampfschützen weg, bevor wir die da unten richtig alle machen können?"
"Treffend erkannt... Andernfalls werden wir alle gemacht..."
"Hm..."
Li sah kurz zu Robertas Transit hinüber, sah, wie er urplötzlich abdrehte und angriff... Voll beschleunigte...
"Verdammt noch mal, Subcommander, was soll das??"
Keine Antwort...
"Subcommander Koa-feng, was soll das??" In Li´s Stimme schwang nun eindeutig auch Angst mit.
Roberta stieß wie ein Raubvogel schräg von oben auf die beiden Kampfschützen herab. Ein Raubvogel, der mit allem anvisiert wurde, was dort unten war...
Li wandte sich an Narai: "Angriffsmuster Drei..."
"Die Wahnsinnige bringt sich um und du redest von Angriffsmuster..."
"Klappe halten und angreifen!"
Und plötzlich, wenige Sekundenbruchteile, bevor der Sturm losging, als die Waffen der Kontrahenten schon aufeinander gerichtet waren und der Transit mit absoluter Höchstgeschwindigkeit auf sein Ziel zudonnerte, hörte Li Robertas Stimme in TakKom. Wie sie voller Hass flüsterte...
"Man, fear thyself, thine arrogance and van" Sie kam nicht weiter, die ersten Raketen schlugen auf der Tragfläche und im Bug des Jägers ein. Jetzt eröffnete auch Roberta das Feuer und konzentrierte alles, das sie hatte, auf die beiden Kampfschützen...
Li sah gebannt zu... Für wen der Spruch gedacht war, wusste sie nicht. Entweder für die AVS - oder für sie. Roberta hielt ihr Feuer aufrecht. Sie musste verbrennen, wenn sie das noch wenige Sekunden weiter aufrecht hielt. Aber das war jetzt sowieso schon egal... Der Transit schien unter den Treffern seiner Gegner regelrecht zu verglühen, als plötzlich einer der beiden Kampfschützen mit einem riesigen Loch im Zentrum zusammensackte. Und Robertas Maschine, inzwischen mehr ein glühender, brennender Feuerball als ein Raumjäger, voll mit dem zweiten Kampfschützen kollidierte.
Eine gewaltige Explosion.
Stille.
Als sich plötzlich die anderen beiden Jäger, ziemlich unbeachtet, auf die restlichen Mechs stürzten...



"Nach der zweiten Angriffswelle der beiden Jäger ergaben sich die AVS-Mechs. Nur noch sechs Stück standen, die den Jägern nichts entgegenzusetzen hatten... Heutzutage würde so etwas sicher anders ablaufen, da wir neue Techniken und bessere Sensoren zur Verfügung haben... Aber beachten Sie bitte eines: Ohne eine effektive Luftverteidigung sind Mechs dennoch nur eine Pflichtübung für angreifende Raumjäger. Ich denke, das zeigt dieses kleine Beispiel ganz gut. Denn als die Kampfschützen weg waren, war das Ganze nur noch Formsache... Die Wartungsanlage auf Necromo wurde drei Jahre später geschlossen, nachdem die AVS immer stärkere Überfallkommandos nach Necromo sandte... Über das Schicksal von Li Guyen, und Narai T´ing ist mir nichts mehr bekannt. Sie verschwanden irgendwo im Nichts der Geschichte..."


Älterer Artikel von mechforce.de. Nicht mehr online.




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Erstversion vom 05.04.2023. Letzte Aktualisierung am 05.04.2023.


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