Malmö
Hochland, Engadin
Terranische Hegemonie
14. Januar 2598
Die Abdeckplatten
klappten auf und zwanzig Langstreckenraketen warfen sich ihrem Ziel entgegen.
Nicht alle Raketen trafen, doch der Rest senkte sich auf den 60-Tonnen
Rifleman. Der BattleMech stolperte zurück, als die LSR auf Torso
und Armen explodierten. Obwohl der Rifleman mehr als eine Tonne Panzerung
verlor, war er noch nicht schwer beschädigt. Der Mech drehte sich
leicht, um den Angreifer in das Frontschussfeld zu bekommen.
Sein Gegner, ein 90-Tonnen-Highlander, rannte mit der Höchstgeschwindigkeit
von 54 km/h auf einen weiteren der zahllosen Felsmonolithen auf der Hochebene
zu, hinter denen er sich zweifellos versteckt gehalten hatte.
Der Pilot des Rifleman rotierte die in zwei langen Läufen endenden
Arme in die Richtung des Gegners und feuerte. Die Laser verfehlten ihr
Ziel, dafür trafen die Autokanonen. Die Geschosse mit Spitzen aus
angereichertem Uran fraßen Pockennarben über die rechte Seite
und den rechten Arm der überschweren Maschine, konnten die dicke
Panzerung aber nicht durchdringen.
Lieutenant Matthew Carmichael steuerte seinen Highlander hinter den großen
Felsen und in Sicherheit. Er warf einen kurzen Blick auf den Primärmonitor
auf der rechten Seite des abgedunkelten Cockpits. Das Drahtgittermodell
des Highlanders leuchtete in beruhigendem Grün. Der zweite Hilfsmonitor
zeigte allerdings, dass der Rifleman nicht so gut weggekommen war. Die
Panzerung am rechten Arm war angeschlagen - ein oder zwei weitere Treffer
dort konnten ausreichen, die Hälfte der Primärbewaffnung des
dreißig Tonnen leichteren Mechs auszuschalten.
Offensichtlich hatte das auch der Pilot der gegnerischen Maschine bemerkt,
denn er war Matt nicht gefolgt.
Carmichael wollte sich gerade um die Deckung herumarbeiten, als plötzlich
ein schriller Warnton erklang. Er wirbelte den Highlander um die eigene
Achse, den anfliegenden Raketen entgegen. Knapp ein Dutzend LSR explodierten
auf Torso und Beinen der 90-Tonnen-Maschine. Zeitgleich schlug der azurblaue
künstliche Blitzschlag einer Partikelprojektorkanone in die rechte
Seite des Mechs und sprengte große Stücke der schützenden
Stahlkeramik herunter.
Matts Kampfkoloss erbebte unter den Einschlägen, und der Lieutenant
kämpfte mit den Kontrollen, um den Mech aufrecht zu halten. Der Neurohelm,
der die Schwingungen seines Innenohrs und damit den Gleichgewichtssinn
auf den zehn Meter hohen Stahlgiganten übertrug, half Matt, das Gleichgewicht
wiederzufinden.
Das Schadensdiagramm des Highlanders zeigte an, dass seine Panzerung diesmal
stark beschädigt worden war.
Matt beachtete es jedoch nicht. Etwa dreihundert Meter entfernt stand
ein weiterer BattleMech auf dem Hügelkamm, der die Hochebene umschloss.
Der 55-Tonnen-Griffin hatte die Gelegenheit genutzt, in aller Ruhe auf
den Highlander zu zielen und dann gefeuert.
Jetzt aber war Matt am Zuge. Das Gaussgeschütz im rechten Arm der
überschweren Maschine spie dem Griffin eine durch Hochleistungselektromagneten
beschleunigte, überschallschnelle Nickeleisen-Kugel entgegen. Die
Gausskugel schlug in den linken Arm des neuen Gegners ein und riss ihn
am Ellenbogen ab.
Matt beobachtete, wie der Mech - durch den großen Gewichtsverlust
aus der Balance gebracht - rückwärts taumelte und hinter dem
Hügelkamm verschwand.
Nachdem der Griffin außer Sicht war, drehte der Lieutenant den Highlander
und stapfte aus der Deckung hervor, um den Rifleman zu stellen. Kampflärm
von der anderen Seite des Steinfeldes machte ihm jedoch klar, dass sein
alter Gegner nicht länger alleine war.
Matt bog um einen der vielen Monolithen und folgte der Spur, die der Rifleman
auf dem harten Untergrund hinterlassen hatte. Noch bevor er den Gegner
jedoch erreichen konnte, sah er ihn schon rückwärts hinter einer
Felsformation auftauchen. Der Mech hatte die Arme gehoben und feuerte
immer abwechselnd mit Lasern und AK auf ein Ziel, das der Highlander-Pilot
aufgrund der Felsformation nicht sehen konnte.
Ohne Zögern feuerte Matt alle Waffen bis auf die LSR ab.
Die Breitseite sprengte und schmolz Panzerung von vielen Stellen des gegnerischen
Mech. Eine KSR fand sogar ihren Weg in die Interne Struktur; etwas explodierte
in einem Blitz und verkündete das Ende eines der beiden mittelschweren
Laser im Torso.
Die Antenne des Garret D2j-Zielerfassungssystem knapp hinter dem Cockpit
des angeschlagenen Mechs rotierte wie wild, als wolle sie den drohenden
Sturz des Mechs abfangen. Der Pilot schaffte es jedoch nicht und die 60-Tonnen-Maschine
fiel hinten über.
Dann trat der Gegner des Rifleman aus der Deckung.
Genauso wie Matts Highlander war auch der 85-Tonnen-Longbow in Grün
gehalten. Mehrere breite, rotgrüne Tartans zogen sich in einem zufälligen
Muster um die Maschine herum - die Farben des 1. Royal Black Watch BattleMech-Regimentes,
der Leibgarde des Ersten Lords. Obwohl dies eigentlich ein Beweis dafür
war, dass beide Mechs auf derselben Seite hätten stehen sollen, machten
die immer noch geöffneten Schutzklappen an den LSR die Intention
des anderen Piloten deutlich.
Der Longbow war einer der Mechs, die im Hinblick auf einen bestimmten
Zweck konstruiert worden waren. So wie der Rifleman mit Schnellfeuerautokanonen
und hoch entwickeltem Such- und Ortungssystem eine ausgezeichnete Plattform
zur Jägerabwehr abgab, war der Longbow als ArtillerieMech konzipiert.
Der BattleMech selbst war humanoid. Doch wo bei einem Mensch die Arme
waren, besaß er riesige, an Turbinen erinnernde Raketenlafetten.
Damit konnte der Longbow in einer einzigen Salve fünfzig Raketen
abfeuern. Die zwei mittelschweren Laser im Torso schienen dabei eher als
kosmetische Aufmachung denn als notwendige Sekundärbewaffnung zu
dienen.
Die Zielerfassungswarnung gellte in Matts Ohren nur Millisekunden bevor
der Longbow seine Raketen abfeuerte. Ohne nachzudenken, rammte er den
Schubhebel bis zum Anschlag nach vorne, wirbelte den Mech zur Seite und
rannte in die Richtung des nächsten Felszerwürfnisses.
Die Zeit reichte nicht. Der Highlander verschwand in einer Wolke von Raketen.
Überall auf der Panzerung explodierten die Gefechtsköpfe und
rissen große Brocken Stahlkeramik herunter. Matt wurde in dem Mech
durchgeschüttelt und musste erneut mit den Kontrollen ringen. Der
Verlust von mehreren Tonnen Panzerung auf einen Schlag warf die überschwere
Maschine aus dem Gleichgewicht. Der Longbow hatte den Highlander mitten
in der Bewegung erwischt, und Matt schaffte es nicht mehr, den Mech auszubalancieren.
Der 90-Tonnen-Gigant wurde zu Boden geschleudert und grub sich mit der
linken Schulter voran in den Dreck.
Die Sitzgurte schnitten scharf in die Schultern des Lieutenants, als er
wie von einem Hammerschlag aus dem Pilotensitz gerissen wurde. Ihm blieb
die Luft weg. Als der Mech endlich zum Stehen kam, hing Matt kopfüber
im Sitz - nur gehalten durch die Gurte.
Die letzten Sekunden hatten den Mech stark aufgeheizt. Obwohl die Wärmetauscher
des Highlanders ihr Bestes taten, um die Hitze abzuleiten, war Matt doch
froh, dass er den Kühlanzug trug.
Der Kühlanzug war ein essentielles Ausstattungsstück jedes MechKriegers
der Sternenbund-Verteidigungsstreitkräfte. Auch wenn jedes Mechcockpit
hermetisch abgeriegelt wurde, konnte die Betriebstemperatur in einem Mech
so hoch werden, dass die Hitze bis ins Cockpit vordrang. Besonders wenn
zu viele Waffen in zu schneller Folge abgefeuert wurden, konnte das Cockpit
rasch zum sprichwörtlichen Bratofen werden. Ohne ein zusätzlich
kühlendes Mittel konnte ein MechKrieger das erste richtige Feuergefecht
nicht lange überleben.
Der Kühlanzug bestand aus zwei Lagen ballistischem Tuch, das von
einem Schlauchgeflecht durchzogen war, und bedeckte Arme, Oberkörper
und Beine des Piloten. Nachdem der Anzug an die Stromversorgung des Cockpits
angeschlossen war, begann die Kühlflüssigkeit in den Schläuchen
in einem Kreislauf zu fließen. Dadurch wurde die Hitze vom Körper
weggeleitet.
Auf dem Drahtgittermodell des Mechs sah Matt, dass er mächtig etwas
abbekommen hatte. Die Panzerung an Arm und Bein war auf die Hälfte
reduziert, und die linke Torsoseite nur noch minimal geschützt.
"Scheiße."
Der Lieutenant fluchte weiter unterdrückt, als er den linken, vollmodellierten
Mecharm benutzte, um den Highlander in eine kniende Position zu hebeln.
Als der überschwere Mech kurze Zeit später wieder stand, konnte
Matt sehen, dass er noch Glück im Unglück gehabt hatte: der
Highlander war direkt hinter das Felszerwürfnis gerutscht, wo ihn
die Felsen vor einer zweiten - womöglich tödlicheren - Attacke
beschützt hatten.
Vom Longbow war keine Spur mehr zu sehen. Matt wusste jedoch, dass er
sich nur zurückgezogen hatte. Es dauerte mehrere Sekunden, bis die
LSR nachgeladen waren und in dieser Zeit wäre der ArtillerieMech
Gegenangriffen schutzlos ausgeliefert gewesen.
Der Lieutenant nutzte die Gelegenheit zu einem taktischen Rückzug.
Der Longbow würde in sicherem Abstand warten und ihn sofort unter
Feuer nehmen, wenn er jetzt angriff.
Plötzlich entdeckte er einen Pass in seiner Nähe, der ihn aus
dem Hochland und hinter den umgebenden Hügelkamm bringen konnte.
Die Entfernung betrug weniger als einen halben Kilometer. Zwei Drittel
des Wegs konnte er so wählen, dass verschiedene Felsformationen die
Sichtlinie des Longbows blockierten.
Matt erwägte kurz einen Frontalangriff auf seinen Gegner, entschied
sich schließlich aber doch noch für die Felsspalte.
Er wollte den Highlander gerade in Bewegung setzen, als plötzlich
der Griffin auf lodernden Feuersäulen hinter dem Hügelkamm aufstieg.
Die in den Beinen angebrachten Sprungdüsen katapultierten den 55-Tonnen-Mech
in die Höhe. Im Flug hob der mittelschwere Mech die pistolenähnliche
PPK, die er in der rechten Hand hielt. Die Ladespulen glühten kurz
auf, als die Waffe ihren künstlichen Blitzschlag in Matts Richtung
spie und den Highlander in die beschädigte Seite traf. Warnlichter
blinkten auf und signalisierten Matt, dass seine LSR-Lafette gerade den
Weg alles Irdischen gegangen war.
Als er wieder landete, beugte der Mechpilot des Griffin leicht die Knie,
um die Wucht des Aufpralls abzufangen. Krachend landete der Mech zwischen
ihm und der Felsspalte.
Matt feuerte hastig die Laser und das Gauss, konnte aber keinen Treffer
erzielen. Er wich zurück, um den Griffin auf Distanz zu halten, aber
der gegnerische Pilot dachte gar nicht daran, ihn so leicht entkommen
zu lassen. Der Highlander musste einen weiteren PPK-Schuss einstecken
und schüttelte sich unter dem Einschlag einer LSR-Salve.
"Jetzt reicht`s!" Matt wurde wütend. Er stemmte seinen
Mech in den Boden und feuerte das Gauss zusammen mit den zwei mittelschweren
Lasern. Die Laser richteten keinen nennenswerten Schaden an, aber die
Gausskugel schlug in den Griffin und beschädigte die Reaktorabschirmung.
Zufrieden sah Matt, wie sein Gegner auf der Infrarotortung plötzlich
begann, kirschrot zu glühen.
Nachdem es wieder aufgeladen war, hob der Lieutenant das Gaussgeschütz,
um dem Griffin den Rest zu geben, bemerkte dann jedoch eine Bewegung am
Rande seines Sichtfeldes.
Die Sichtprojektion im Cockpit zeigte eine auf 160° zusammengestauchte
Rundumsicht. Dabei war das rückwärtige Schussfeld durch goldene
Striche abgetrennt. In Matts Fall zeigte es den Longbow, der gerade hinter
Matts ursprünglicher Deckung hervorgekommen war und sich anschlich.
Noch während er des Mechs gewahr wurde, flogen die Schutzklappen
der beiden LSR-Lafetten auf. Dann schrillte die Raketenwarnung in seinen
Ohren, als über vier Dutzend Raketen auf ihn zuflogen.
Matt hatte keine Chance. Er wirbelte den Highlander herum, um den stärkeren
Panzerschutz an der Vorderseite der Maschine zum Tragen zu bringen, aber
das war einfach zu viel.
Der 90-Tonnen-Mech verschwand abermals in einer Raketenwolke. Diesmal
jedoch schlugen fast ein Dutzend LSR in die Interne Struktur durch und
zerstörten dort Waffen, künstliche Muskeln und wichtige Elektronik.
Der Highlander taumelte nach hinten weg, während sein Pilot versuchte,
den Koloss aufrecht zu halten. Der Schaden war jedoch zu groß und
die Maschine brach zusammen. Der dunkelblonde MechKrieger wappnete sich
für den Aufschlag.
Der Highlander krachte zu Boden und löste ein kleines Erdbeben aus.
Matt blieb erneut der Atem weg, als er in die Gurte getrieben wurde. Die
Maschine rutschte noch ein kleines Stück über den Boden und
schüttelte den Piloten kräftig durch. Einer der Gurte hielt
der Belastung nicht richtig stand und riss. Matt sah noch die Cockpitwand
auf sich zukommen, als sein Kopf auch schon gegen die Deckenarmaturen
krachte. Ein höllischer Schmerz zuckte von der Schädeldecke
das gesamte Rückrat entlang und er keuchte auf. Dann fühlte
er etwas Warmes und Klebriges seine linke Stirn herunterlaufen und das
Cockpit verschwamm vor seinen Augen.
Das Cockpitfenster zeigte nur hellblauen Himmel, und er versuchte einen
Punkt dort zu fixieren, um die Schwärze, die an seinem Sichtfeld
nagte, zu vertreiben.
Als sich das Schwindelgefühl gelegt hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit
den Instrumenten zu. Frustriert musste er feststellen, dass der Highlander
ohne eine Generalüberholung keinen Schritt mehr machen würde.
Das Gyroskop war zerstört, der rechte Arm abgerissen und mehr als
nur ein Aktivator kaputt. Er konnte von Glück sagen, dass ihn keine
Munitionsexplosion vernichtet hatte.
"Verdammt!", fluchte er und schlug mit der geballten Faust auf
einen der Primärmonitore ein. Der Monitor wackelte, sonst änderte
sich allerdings nichts.
Preview Wahnsinn und Methode
08.05.2019
Kommentare
Bisher noch keine Kommentare.