Preview Wahnsinn und Methode

08.05.2019

Malmö Hochland, Engadin
Terranische Hegemonie

14. Januar 2598

Die Abdeckplatten klappten auf und zwanzig Langstreckenraketen warfen sich ihrem Ziel entgegen. Nicht alle Raketen trafen, doch der Rest senkte sich auf den 60-Tonnen Rifleman. Der BattleMech stolperte zurück, als die LSR auf Torso und Armen explodierten. Obwohl der Rifleman mehr als eine Tonne Panzerung verlor, war er noch nicht schwer beschädigt. Der Mech drehte sich leicht, um den Angreifer in das Frontschussfeld zu bekommen.
Sein Gegner, ein 90-Tonnen-Highlander, rannte mit der Höchstgeschwindigkeit von 54 km/h auf einen weiteren der zahllosen Felsmonolithen auf der Hochebene zu, hinter denen er sich zweifellos versteckt gehalten hatte.
Der Pilot des Rifleman rotierte die in zwei langen Läufen endenden Arme in die Richtung des Gegners und feuerte. Die Laser verfehlten ihr Ziel, dafür trafen die Autokanonen. Die Geschosse mit Spitzen aus angereichertem Uran fraßen Pockennarben über die rechte Seite und den rechten Arm der überschweren Maschine, konnten die dicke Panzerung aber nicht durchdringen.
Lieutenant Matthew Carmichael steuerte seinen Highlander hinter den großen Felsen und in Sicherheit. Er warf einen kurzen Blick auf den Primärmonitor auf der rechten Seite des abgedunkelten Cockpits. Das Drahtgittermodell des Highlanders leuchtete in beruhigendem Grün. Der zweite Hilfsmonitor zeigte allerdings, dass der Rifleman nicht so gut weggekommen war. Die Panzerung am rechten Arm war angeschlagen - ein oder zwei weitere Treffer dort konnten ausreichen, die Hälfte der Primärbewaffnung des dreißig Tonnen leichteren Mechs auszuschalten.
Offensichtlich hatte das auch der Pilot der gegnerischen Maschine bemerkt, denn er war Matt nicht gefolgt.
Carmichael wollte sich gerade um die Deckung herumarbeiten, als plötzlich ein schriller Warnton erklang. Er wirbelte den Highlander um die eigene Achse, den anfliegenden Raketen entgegen. Knapp ein Dutzend LSR explodierten auf Torso und Beinen der 90-Tonnen-Maschine. Zeitgleich schlug der azurblaue künstliche Blitzschlag einer Partikelprojektorkanone in die rechte Seite des Mechs und sprengte große Stücke der schützenden Stahlkeramik herunter.
Matts Kampfkoloss erbebte unter den Einschlägen, und der Lieutenant kämpfte mit den Kontrollen, um den Mech aufrecht zu halten. Der Neurohelm, der die Schwingungen seines Innenohrs und damit den Gleichgewichtssinn auf den zehn Meter hohen Stahlgiganten übertrug, half Matt, das Gleichgewicht wiederzufinden.
Das Schadensdiagramm des Highlanders zeigte an, dass seine Panzerung diesmal stark beschädigt worden war.
Matt beachtete es jedoch nicht. Etwa dreihundert Meter entfernt stand ein weiterer BattleMech auf dem Hügelkamm, der die Hochebene umschloss. Der 55-Tonnen-Griffin hatte die Gelegenheit genutzt, in aller Ruhe auf den Highlander zu zielen und dann gefeuert.
Jetzt aber war Matt am Zuge. Das Gaussgeschütz im rechten Arm der überschweren Maschine spie dem Griffin eine durch Hochleistungselektromagneten beschleunigte, überschallschnelle Nickeleisen-Kugel entgegen. Die Gausskugel schlug in den linken Arm des neuen Gegners ein und riss ihn am Ellenbogen ab.
Matt beobachtete, wie der Mech - durch den großen Gewichtsverlust aus der Balance gebracht - rückwärts taumelte und hinter dem Hügelkamm verschwand.
Nachdem der Griffin außer Sicht war, drehte der Lieutenant den Highlander und stapfte aus der Deckung hervor, um den Rifleman zu stellen. Kampflärm von der anderen Seite des Steinfeldes machte ihm jedoch klar, dass sein alter Gegner nicht länger alleine war.
Matt bog um einen der vielen Monolithen und folgte der Spur, die der Rifleman auf dem harten Untergrund hinterlassen hatte. Noch bevor er den Gegner jedoch erreichen konnte, sah er ihn schon rückwärts hinter einer Felsformation auftauchen. Der Mech hatte die Arme gehoben und feuerte immer abwechselnd mit Lasern und AK auf ein Ziel, das der Highlander-Pilot aufgrund der Felsformation nicht sehen konnte.
Ohne Zögern feuerte Matt alle Waffen bis auf die LSR ab.
Die Breitseite sprengte und schmolz Panzerung von vielen Stellen des gegnerischen Mech. Eine KSR fand sogar ihren Weg in die Interne Struktur; etwas explodierte in einem Blitz und verkündete das Ende eines der beiden mittelschweren Laser im Torso.
Die Antenne des Garret D2j-Zielerfassungssystem knapp hinter dem Cockpit des angeschlagenen Mechs rotierte wie wild, als wolle sie den drohenden Sturz des Mechs abfangen. Der Pilot schaffte es jedoch nicht und die 60-Tonnen-Maschine fiel hinten über.
Dann trat der Gegner des Rifleman aus der Deckung.
Genauso wie Matts Highlander war auch der 85-Tonnen-Longbow in Grün gehalten. Mehrere breite, rotgrüne Tartans zogen sich in einem zufälligen Muster um die Maschine herum - die Farben des 1. Royal Black Watch BattleMech-Regimentes, der Leibgarde des Ersten Lords. Obwohl dies eigentlich ein Beweis dafür war, dass beide Mechs auf derselben Seite hätten stehen sollen, machten die immer noch geöffneten Schutzklappen an den LSR die Intention des anderen Piloten deutlich.
Der Longbow war einer der Mechs, die im Hinblick auf einen bestimmten Zweck konstruiert worden waren. So wie der Rifleman mit Schnellfeuerautokanonen und hoch entwickeltem Such- und Ortungssystem eine ausgezeichnete Plattform zur Jägerabwehr abgab, war der Longbow als ArtillerieMech konzipiert. Der BattleMech selbst war humanoid. Doch wo bei einem Mensch die Arme waren, besaß er riesige, an Turbinen erinnernde Raketenlafetten. Damit konnte der Longbow in einer einzigen Salve fünfzig Raketen abfeuern. Die zwei mittelschweren Laser im Torso schienen dabei eher als kosmetische Aufmachung denn als notwendige Sekundärbewaffnung zu dienen.
Die Zielerfassungswarnung gellte in Matts Ohren nur Millisekunden bevor der Longbow seine Raketen abfeuerte. Ohne nachzudenken, rammte er den Schubhebel bis zum Anschlag nach vorne, wirbelte den Mech zur Seite und rannte in die Richtung des nächsten Felszerwürfnisses.
Die Zeit reichte nicht. Der Highlander verschwand in einer Wolke von Raketen. Überall auf der Panzerung explodierten die Gefechtsköpfe und rissen große Brocken Stahlkeramik herunter. Matt wurde in dem Mech durchgeschüttelt und musste erneut mit den Kontrollen ringen. Der Verlust von mehreren Tonnen Panzerung auf einen Schlag warf die überschwere Maschine aus dem Gleichgewicht. Der Longbow hatte den Highlander mitten in der Bewegung erwischt, und Matt schaffte es nicht mehr, den Mech auszubalancieren. Der 90-Tonnen-Gigant wurde zu Boden geschleudert und grub sich mit der linken Schulter voran in den Dreck.
Die Sitzgurte schnitten scharf in die Schultern des Lieutenants, als er wie von einem Hammerschlag aus dem Pilotensitz gerissen wurde. Ihm blieb die Luft weg. Als der Mech endlich zum Stehen kam, hing Matt kopfüber im Sitz - nur gehalten durch die Gurte.
Die letzten Sekunden hatten den Mech stark aufgeheizt. Obwohl die Wärmetauscher des Highlanders ihr Bestes taten, um die Hitze abzuleiten, war Matt doch froh, dass er den Kühlanzug trug.
Der Kühlanzug war ein essentielles Ausstattungsstück jedes MechKriegers der Sternenbund-Verteidigungsstreitkräfte. Auch wenn jedes Mechcockpit hermetisch abgeriegelt wurde, konnte die Betriebstemperatur in einem Mech so hoch werden, dass die Hitze bis ins Cockpit vordrang. Besonders wenn zu viele Waffen in zu schneller Folge abgefeuert wurden, konnte das Cockpit rasch zum sprichwörtlichen Bratofen werden. Ohne ein zusätzlich kühlendes Mittel konnte ein MechKrieger das erste richtige Feuergefecht nicht lange überleben.
Der Kühlanzug bestand aus zwei Lagen ballistischem Tuch, das von einem Schlauchgeflecht durchzogen war, und bedeckte Arme, Oberkörper und Beine des Piloten. Nachdem der Anzug an die Stromversorgung des Cockpits angeschlossen war, begann die Kühlflüssigkeit in den Schläuchen in einem Kreislauf zu fließen. Dadurch wurde die Hitze vom Körper weggeleitet.
Auf dem Drahtgittermodell des Mechs sah Matt, dass er mächtig etwas abbekommen hatte. Die Panzerung an Arm und Bein war auf die Hälfte reduziert, und die linke Torsoseite nur noch minimal geschützt.
"Scheiße."
Der Lieutenant fluchte weiter unterdrückt, als er den linken, vollmodellierten Mecharm benutzte, um den Highlander in eine kniende Position zu hebeln. Als der überschwere Mech kurze Zeit später wieder stand, konnte Matt sehen, dass er noch Glück im Unglück gehabt hatte: der Highlander war direkt hinter das Felszerwürfnis gerutscht, wo ihn die Felsen vor einer zweiten - womöglich tödlicheren - Attacke beschützt hatten.
Vom Longbow war keine Spur mehr zu sehen. Matt wusste jedoch, dass er sich nur zurückgezogen hatte. Es dauerte mehrere Sekunden, bis die LSR nachgeladen waren und in dieser Zeit wäre der ArtillerieMech Gegenangriffen schutzlos ausgeliefert gewesen.
Der Lieutenant nutzte die Gelegenheit zu einem taktischen Rückzug. Der Longbow würde in sicherem Abstand warten und ihn sofort unter Feuer nehmen, wenn er jetzt angriff.
Plötzlich entdeckte er einen Pass in seiner Nähe, der ihn aus dem Hochland und hinter den umgebenden Hügelkamm bringen konnte. Die Entfernung betrug weniger als einen halben Kilometer. Zwei Drittel des Wegs konnte er so wählen, dass verschiedene Felsformationen die Sichtlinie des Longbows blockierten.
Matt erwägte kurz einen Frontalangriff auf seinen Gegner, entschied sich schließlich aber doch noch für die Felsspalte.
Er wollte den Highlander gerade in Bewegung setzen, als plötzlich der Griffin auf lodernden Feuersäulen hinter dem Hügelkamm aufstieg. Die in den Beinen angebrachten Sprungdüsen katapultierten den 55-Tonnen-Mech in die Höhe. Im Flug hob der mittelschwere Mech die pistolenähnliche PPK, die er in der rechten Hand hielt. Die Ladespulen glühten kurz auf, als die Waffe ihren künstlichen Blitzschlag in Matts Richtung spie und den Highlander in die beschädigte Seite traf. Warnlichter blinkten auf und signalisierten Matt, dass seine LSR-Lafette gerade den Weg alles Irdischen gegangen war.
Als er wieder landete, beugte der Mechpilot des Griffin leicht die Knie, um die Wucht des Aufpralls abzufangen. Krachend landete der Mech zwischen ihm und der Felsspalte.
Matt feuerte hastig die Laser und das Gauss, konnte aber keinen Treffer erzielen. Er wich zurück, um den Griffin auf Distanz zu halten, aber der gegnerische Pilot dachte gar nicht daran, ihn so leicht entkommen zu lassen. Der Highlander musste einen weiteren PPK-Schuss einstecken und schüttelte sich unter dem Einschlag einer LSR-Salve.
"Jetzt reicht`s!" Matt wurde wütend. Er stemmte seinen Mech in den Boden und feuerte das Gauss zusammen mit den zwei mittelschweren Lasern. Die Laser richteten keinen nennenswerten Schaden an, aber die Gausskugel schlug in den Griffin und beschädigte die Reaktorabschirmung. Zufrieden sah Matt, wie sein Gegner auf der Infrarotortung plötzlich begann, kirschrot zu glühen.
Nachdem es wieder aufgeladen war, hob der Lieutenant das Gaussgeschütz, um dem Griffin den Rest zu geben, bemerkte dann jedoch eine Bewegung am Rande seines Sichtfeldes.
Die Sichtprojektion im Cockpit zeigte eine auf 160° zusammengestauchte Rundumsicht. Dabei war das rückwärtige Schussfeld durch goldene Striche abgetrennt. In Matts Fall zeigte es den Longbow, der gerade hinter Matts ursprünglicher Deckung hervorgekommen war und sich anschlich. Noch während er des Mechs gewahr wurde, flogen die Schutzklappen der beiden LSR-Lafetten auf. Dann schrillte die Raketenwarnung in seinen Ohren, als über vier Dutzend Raketen auf ihn zuflogen.
Matt hatte keine Chance. Er wirbelte den Highlander herum, um den stärkeren Panzerschutz an der Vorderseite der Maschine zum Tragen zu bringen, aber das war einfach zu viel.
Der 90-Tonnen-Mech verschwand abermals in einer Raketenwolke. Diesmal jedoch schlugen fast ein Dutzend LSR in die Interne Struktur durch und zerstörten dort Waffen, künstliche Muskeln und wichtige Elektronik. Der Highlander taumelte nach hinten weg, während sein Pilot versuchte, den Koloss aufrecht zu halten. Der Schaden war jedoch zu groß und die Maschine brach zusammen. Der dunkelblonde MechKrieger wappnete sich für den Aufschlag.
Der Highlander krachte zu Boden und löste ein kleines Erdbeben aus. Matt blieb erneut der Atem weg, als er in die Gurte getrieben wurde. Die Maschine rutschte noch ein kleines Stück über den Boden und schüttelte den Piloten kräftig durch. Einer der Gurte hielt der Belastung nicht richtig stand und riss. Matt sah noch die Cockpitwand auf sich zukommen, als sein Kopf auch schon gegen die Deckenarmaturen krachte. Ein höllischer Schmerz zuckte von der Schädeldecke das gesamte Rückrat entlang und er keuchte auf. Dann fühlte er etwas Warmes und Klebriges seine linke Stirn herunterlaufen und das Cockpit verschwamm vor seinen Augen.
Das Cockpitfenster zeigte nur hellblauen Himmel, und er versuchte einen Punkt dort zu fixieren, um die Schwärze, die an seinem Sichtfeld nagte, zu vertreiben.
Als sich das Schwindelgefühl gelegt hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit den Instrumenten zu. Frustriert musste er feststellen, dass der Highlander ohne eine Generalüberholung keinen Schritt mehr machen würde. Das Gyroskop war zerstört, der rechte Arm abgerissen und mehr als nur ein Aktivator kaputt. Er konnte von Glück sagen, dass ihn keine Munitionsexplosion vernichtet hatte.
"Verdammt!", fluchte er und schlug mit der geballten Faust auf einen der Primärmonitore ein. Der Monitor wackelte, sonst änderte sich allerdings nichts.





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Erstversion vom 08.05.2019. Letzte Aktualisierung am 20.01.2023.


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